Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - P531
DOI: 10.1055/s-0036-1593208

Spontane Chromosomeninstabilität im Rahmen einer Amniozentese

K Lato 1, U Friebe-Hoffmann 1, G Borck 2, G Barbi 2, W Lindner 3, H Hummler 3, F Reister 1, W Janni 1, H Gaspar 2
  • 1Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
  • 2Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland
  • 3Klinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Ulm, Ulm, Deutschland

Zielsetzung: Chromosomen-Instabilitätssyndrome sind seltene, meist autosomal rezessiv vererbte genetische Erkrankungen. Aufgrund von Mutationen in DNA-Reparaturgenen kommt es als Folge von Chromosomenbrüchen zu chromosomalen Strukturauffälligkeiten wie Translokationen, Deletionen und Inversionen. Bekannte Krankheitsbilder mit Chromosomeninstabilität sind z.B. die Ataxia teleangiectasia, das Bloom-Syndrom, die Fanconi-Anämie oder das Nijmegen-Breakage-Syndrom.

Materialien und Methoden: Eine 31-jährige G6, P2 der 27. SSW wurde unserem Perinatalzentrum bei V.a. fetales SGA (small for gestational age) vorgestellt. Ultrasonographisch lag eine ausgeprägte Wachstumsretardierung (< 3. Perzentile) bei einem Vitium cordis (u.a. Aortenisthmusstenose) vor. In der daraufhin durchgeführten Amniozentese zeigten sich multiple strukturelle fetale Chromosomenaberrationen im Sinne einer spontanen Chromosomeninstabilität. Unter engmaschigen Verlaufskontrollen konnte die Schwangerschaft bis zur 39. SSW prolongiert werden. Es erfolgte der komplikationslose Spontanpartus.

Kind: ♀, 1750 g (< 3. Perz.), 43 cm, KU: 27,8 cm, Apgar: 9/10/10, Na-pH: 7,30, BE: -4,9.

Ergebnisse: Die kinderärztliche und klinisch-genetische Untersuchung des Neugeborenen ergab folgende Auffälligkeiten: deutliche Hypotrophie sowie Kleinwuchs bei Mikrozephalie, Vitium cordis (Aortenisthmusstenose, ASD, VSD), Katarakt eines Auges, Analatresie, Dysmorphiezeichen sowie hyperpigmentierte Hautareale. Postnatal wurde ein Chromosomen-Instabilitätssyndroms im Sinne einer Fanconi-Anämie bei Vorliegen von zwei heterozygoten Mutationen im PALB2-Gen bestätigt.

Zusammenfassung: Unser Fall zeigt, dass eine spontane Chromosomeninstabilität pränatal im Rahmen einer Amniozentese nachweisbar sein kann. Eine Zuordnung zu einer spezifischen genetischen Ursache ist während der Schwangerschaft schwierig, da die Ursachen vielfältig sind und eine genetische Abklärung zeitlich aufwendig ist. Postnatal können durch die bessere klinische Beurteilbarkeit der Kinder gezielter genetische Analysen veranlasst werden, um die Ursache zu klären. Die Prognoseeinschätzung ist durch das breite Spektrum der Krankheitsbilder pränatal schwierig.