Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - P201
DOI: 10.1055/s-0036-1593064

Erste Erfahrungen mit der Betreuung von Asylbewerberinnen und weiblichen Flüchtlingen im Rahmen der aktuellen Migrationsbewegung

H Urban 1, G Bauerschmitz 1, M Hellriegel 1, G Emons 1
  • 1Universitätsfrauenklinik, Göttingen, Deutschland

Die medizinische Versorgung von Asylbewerbern und Flüchtlingen beinhaltet spezifische Aspekte und Probleme, die den medizinischen Umgang im Alltag stark prägen. Die Frauenklinik in Göttingen ist durch die unmittelbare Nähe zum Grenzdurchgangslager Friedland, einem zentralen Standort der Landesaufnahmebehörde in Niedersachsen, täglich mit diesen konfrontiert.

Neben der meist unangemeldeten und schubweisen Vorstellung sprechen die meisten Patientinnen lediglich Ihre Muttersprache, nur selten kommen sie in Begleitung eines Dolmetschers. Die Anamneseerhebung ist somit häufig sehr schwierig und zeitaufwändig, oft sogar nicht erfolgreich durchzuführen. Zudem entstehen durch mangelnde bzw. laienhafte Übersetzung Fragen zur forensischen Verantwortung bei Aufklärungsgesprächen, Einwilligungen oder sogar Ablehnung der Untersuchung oder Behandlung gegen ärztlichen Rat, die bis dato nicht geklärt sind. Durch mangelhafte medizinische Versorgung vor und während der Migration kommen viele Patientinnen ohne Vorbefunde oder Therapieverläufe zu zum Teil seit langen bestehenden Erkrankungen nach Deutschland, welches die Entscheidungen über weitere Diagnostik und Behandlung massiv erschwert. Speziell mangelhafte Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft bei zusätzlich häufig Terminunklarheit stellen den Geburtshelfer vor schwierige Entscheidungssituation. Auch kann religiöse Überzeugung im Extremfall bis zur Ablehnung der Untersuchung bzw. Behandlung durch männliches Personal (Ärzte, Pflegekräfte) führen. Kolonisation oder Infektionen mit multiresistenten Keimen auf Grund nicht rationaler Antibiotikatherapie im Herkunftsland, z.B. MRSA oder 4-MRGN, erfordern neben umfangreichen Hygiene-Maβnahmen zum Schutz von Personal und Mitpatienten durch die notwendige Isolation der Patientin eine höhere durchschnittliche Bettenkapazität, welche baulich nicht vorgehalten werden kann.

Wir möchten die Fälle von 2015 statistisch aufgearbeitet präsentieren und exemplarisch besondere Aspekte darstellen.