Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - P528
DOI: 10.1055/s-0036-1592938

Einstellungen zum Kaiserschnitt. Eine qualitative Befragung schwangerer Frauen mit und ohne Migrationshintergrund Türkei

I Petruschke 1, T Borde 2, M David 3
  • 1Friedrich-Schiller-Universität, Institut für Allgemeinmedizin, Jena, Deutschland
  • 2Alice-Salomon Hochschule, Berlin, Deutschland
  • 3Klinik für Gynäkologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Deutschland

Zielsetzung: Ausgangspunkt der Studie waren die deutlich niedrigeren Kaiserschnittraten bei Schwangeren mit Migrationshintergrund (MH) Türkei im Vergleich zu Schwangeren ohne MH in der DFG-geförderten Studie „Perinatale Gesundheit & Migration in Berlin“. Es sollte geklärt werden, ob und wie sich die Einstellungen der Schwangerengruppen bezüglich Kaiserschnitts unterscheiden.

Material/Methoden: Dazu wurde eine qualitative Studie mit leitfadengestützten Interviews an einem Berliner Krankenhaus konzipiert. Es wurden durchschnittlich 17-minütige Interviews mit 19 türkeistämmigen und 11 deutschen Schwangeren geführt, bei Bedarf erfolgte eine Simultanübersetzung. Es lagen 552 Minuten (9,2h) Audiomaterial vor, die transkribiert und einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen wurden.

Ergebnisse: Alle Schwangeren bevorzugten eine vaginale Entbindung. Schwangere mit MH Türkei verbinden damit eine wichtige persönliche Erfahrung und einen reinigenden Vorgang. Während Schwangere ohne MH den Kaiserschnitt vor allem wegen operationsassoziierter Risiken ablehnen, fallen für Schwangere mit MH Türkei Nachteile für das Kind stärker ins Gewicht. Die Mehrheit der befragten Schwangeren beider Gruppen entscheidet unabhängig von der Meinung des Partners über den Entbindungsmodus. Dem Schmerz einer vaginalen Entbindung messen Schwangere mit MH Türkei häufiger eine sinnvolle Bedeutung zu. Die schwangerschafts- und soziodemographischen Charakteristika der hier befragten türkeistämmigen Schwangeren entsprechen denen der Population der DFG-geförderten Studie „Perinatale Gesundheit & Migration Berlin“.

Zusammenfassung: Die Schwangeren beider Gruppen bevorzugten eine vaginale Entbindung, begründen ihre Einstellungen jedoch unterschiedlich. Die niedrigere Kaiserschnittrate bei den Schwangeren mit MH Türkei entspricht eher deren Wünschen und Einstellungen als die höhere Kaiserschnittrate bei den Schwangeren ohne MH.