Z Gastroenterol 2016; 54 - KV338
DOI: 10.1055/s-0036-1587114

‚Activity based anorexia‘ – ein Tiermodell für Anorexia Nervosa

P Prinz 1, S Scharner 1, M Goebel-Stengel 2, P Kobelt 1, M Rose 1, A Stengel 1
  • 1Charité – Campus Benjamin Franklin, Universitätsmedizin, Berlin, Deutschland, Center for Internal Medicine and Dermatology, Department for Psychosomatic Medicine, Berlin, Deutschland
  • 2Martin-Luther Krankenhaus, Abteilung für Innere Medizin, Institut für Neurogastroenterologie und Motilität, Berlin, Deutschland

Hintergrund: Anorexia Nervosa (AN) zeigt eine hohe Prävalenz (1%, einzelne Symptome einer Essstörung: > 30%) bei Mädchen und Frauen. Obwohl die AN klinisch gut charakterisiert ist, bleibt die zugrundeliegende Pathogenese bislang nicht gut etabliert. Darüber hinaus ist die Behandlung durch eine hohe Rückfallrate (> 50%) erschwert. Daher ist ein besseres Verständnis dieser Erkrankung wichtig.

Ziel: Etablierung eines Tiermodells, welches Symptome der AN zeigt. Da Hyperaktivität bei 20 – 80% der Patientinnen mit AN eine Rolle spielt, wurde dies auch in der aktuellen Studie genutzt.

Methoden: Weibliche Sprague-Dawley-Ratten wurden in vier Gruppen unterteilt: Aktivität + Nahrungsrestriktion (‚Activity Based Anorexia‘, ABA, n = 11, Zugang zur Nahrung 9:00 – 10:30 Uhr), (keine Aktivität + Nahrungsrestriktion (NR, n = 12), Aktivität + ad libitum Nahrungsaufnahme (AK, n = 9) und keine Aktivität + ad libitum Nahrungsaufnahme (AL, n = 9). Körpergewicht, Aktivität und Nahrungsaufnahme wurden täglich erfasst.

Ergebnisse: Nach Nahrungsrestriktion kam es zu einer Abnahme des Körpergewichts bei NR im Vergleich zu AK (20%, p< 0.01) und AL (-24%, p< 0.01), welche ein stabiles Körpergewicht über die 21-tägige Beobachtungsperiode zeigten. ABA zeigte eine zusätzliche siebenprozentige Abnahme des Körpergewichts im Vergleich zu NR (p< 0.01) und erreichte einen zwanzigprozentigen Körpergewichtsverlust nach zwei Wochen Nahrungsrestriktion. Die Nahrungsaufnahme war bei NR (-38%) und ABA (-40%) im Vergleich zu AK und AL deutlich reduziert (p< 0.01). Interessanterweise wurde kein Unterschied in der 1,5h-Nahrungsaufnahme zwischen NR und ABA beobachtet (p> 0.05). Auch die körperliche Aktivität unterschied sich nicht zwischen AK und ABA (p> 0.05).

Schlussfolgerungen: ‚Activity Based Anorexia‘ kombiniert körperliche Aktivität und Nahrungsrestriktion und könnte ein geeignetes Tiermodell zur Untersuchung von pathophysiologischen Veränderungen, welche auch bei der humanen AN vorkommen, sein. Es ist zu beachten, dass die Übertragbarkeit auf den Menschen vorsichtig erfolgen sollte, da die Ratten – anders als die Patientinnen – nicht freiwillig ihr Körpergewicht reduzieren. Dennoch könnten neue pharmakologische Behandlungsansätze an diesem Modell untersucht werden.