Z Gastroenterol 2016; 54 - KV167
DOI: 10.1055/s-0036-1586943

Immunonutrition in der abdominellen Chirurgie: alles nur Bias? – Systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse

P Probst 1, 2, S Ohmann 2, MW Büchler 1, MK Diener 1, 2
  • 1Universität Heidelberg, Klinik für Allgemein-, Viszeral- & Transplantationschirurgie, Heidelberg, Deutschland
  • 2Universität Heidelberg, Studienzentrum der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, Heidelberg, Deutschland

Einleitung: Ein großes Bestreben der chirurgischen Forschung ist das Verhindern von postoperativen Komplikationen. In der Literatur finden sich Hinweise, dass eine perioperative Ernährung mit Immunonutrition das postoperative Outcome verbessern kann.

Ziele: Das Ziel dieser systematischen Übersichtsarbeit war es, den potentiellen Nutzen von Immunonutrition nach großen Baucheingriffen zu untersuchen.

Methodik: Eine systematische Literatursuche nach randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) zwischen 1985 und Juli 2015 wurde in MEDLINE, EMBASE und CENTRAL durchgeführt. Untersuchte Outcomes waren Mortalität, Gesamtkomplikationen, infektiöse Komplikationen und Dauer des Krankenhausaufenthaltes. Die quantitativen Ergebnisse wurden in einer Meta-Analyse als Odds Ratio (OR) oder mittlere Differenz (MD) mit 95% Konfidenzintervall (95%-KI) berichtet. Eine kritische Beurteilung der Studienqualität wurde durchgeführt und deren Einfluss auf die quantitativen Resultate mittels Sensitivitätsanalysen geprüft.

Ergebnis: Insgesamt 83 RCT mit 7116 Patienten wurden eingeschlossen. Die Mortalität wurde durch Immunonutrition nicht beeinflusst. Im Vergleich zur Kontrollgruppe reduziert Immunonutrition die Gesamtkomplikationen (OR 0.79; 95%-KI: 0.66 bis 0.94; p = 0.01) sowie die infektiösen Komplikationen (OR 0.58; 95%-KI: 0.51 bis 0.66; p < 0.001) und verkürzt die Dauer des Krankenhausaufenthaltes (MD -1.79 Tage; 95%-KI: -2.39 bis -1.19; p < 0.001). Nach Ausschluss von Studien von minderer Qualität verschwanden die Behandlungseffekte. Zudem bestand der dringende Verdacht eines Publikationsbias für infektiöse Komplikationen (p = 0.002). Nicht-industriell finanzierte Studien berichten keine positiven Effekte (Gesamtkomplikationen OR 1.13; 95%-KI: 0.88 bis 1.46; p = 0.34), während die industriell finanzierten Studien große Behandlungseffekte berichteten (Gesamtkomplikationen OR 0.66; 95%-KI: 0.48 bis 0.91; p = 0.01).

Schlussfolgerung: Für die abdominelle Chirurgie gibt es keinen hohen Empfehlungsgrad für den Einsatz von Immunonutrition. Ein Großteil der gemessenen Wirkung von Immunonutrition scheint auf minderer Studienqualität, Publikationsbias und Industriebias zu basieren. Auch wenn viele RCT existieren, fehlen qualitativ hochwertige Studien und sind dringend notwendig.