Z Gastroenterol 2016; 54 - KV160
DOI: 10.1055/s-0036-1586936

Some like it hot – (un)freiwillige Capsaicin-Intoxikation als Differentialdiagnose des akuten Abdomens

S Koprdova 1, C Schürmann 1, D Peetz 2, T Dürbye 3, H Koop 1
  • 1Helios Klinikum Berlin- Buch, Allgemeine Innere und Gastroenterologie, Berlin, Deutschland
  • 2Helios Klinikum Berlin- Buch, Instiut für Labormedizin, Berlin, Deutschland
  • 3Botanischer Garten und Botanisches Museum Berlin-Dahlem Freie Universität, Berlin, Deutschland

Es gibt zahlreiche Wettbewerbe zum Verzehr extrem scharfer Nahrungsmittel. Die Schärfe wird durch den Capsaicinoidgehalt verschiedener Chilischoten bestimmt. Zur Objektivierung der Schärfe werden Scoville Einheiten (Scoville Heat Units – SHU) genutzt (reines Capsaicin: 16 Mio SHU). Über typische orale und retrosternale brennende Schmerzempfindungen hinaus kann der exzessive Genuss von Chilischoten auch massive abdominelle Schmerzen verursachen.

Fallbericht: Ein 27-jähriger bis dato gesunder Mann nahm an einer Vorausscheidung für ein Schärfe-Wettessen teil. Er verzehrte 4 Bhut jolokia – Chilischoten (im Mittel je 1 Mio SHU im Trockengewicht), dazu 1 Chilischote (Sorte unbekannt) angereichert mit extrem scharfer Sauce (7,8 Mio SHU), darüber hinaus 3 Currywurstscheiben mit je ca. 2 g Sauce der Schärfe 2, 4 und 7,8 Mio SHU [Tabasco-Soße zum Vergleich: ca. 2500 – 5000 SHU]. Etwa 2,5 Stunden nach Verzehr entwickelte der Patient heftigste Bauchschmerzen und suchte die Notaufnahme auf. Klinische sowie laborchemische Untersuchungen, Sonografie, Röntgen-Abdomen und eine chirurgische Konsiliaruntersuchung ergaben keine Auffälligkeiten. Es erfolgte eine intensive analgetische Therapie inklusive Opiatgabe, bis die Schmerzen nach 10 Stunden abgeklungen waren.

Methoden: Zur Rekonstruktion der aufgenommenen Capsaicin-Dosis wurde bei 5 Schoten Bhut jolokia das Trockengewicht bestimmt, es betrug im Mittel 54 mg (35 – 83 mg). 16 SHU entsprechen 1 ppm Capsaicin [Hort Science 1995; 30:137], insofern betrug die verzehrte Menge von Capsaicin (4 Bhut jolokia-Schoten sowie Soßen) annäherungsweise 1900 mg.

Zusammenfassung: Die orale Aufnahme kleiner Mengen (0,75 mg) von Capsaicin führt zu moderaten Bauchschmerzen [Aliment Pharmacol Ther 2007; 19:279], während 5 – 10 mg Capsaicin bei intrajejunaler Infusion schmerzbedingt einen Infusionsabbruch erzwangen [Gut 2004; 53:1109]. Demgegenüber wurde im vorliegenden Fall eine etwa 200fach höhere Dosis an Capsaicin konsumiert, daher dürfte die Capsaicinintoxikation die abdominelle Symptomatik induziert haben. Extrem hohe Capsaicin-Dosen können somit das Bild eines akuten Abdomens imitieren – eine bis dato noch nicht beschriebene Vergiftung.