Gesundheitswesen 2016; 78 - A200
DOI: 10.1055/s-0036-1586709

Verstehen Jugendliche die Items des „Europäischen Health Literacy Survey Questionnaire“ (HLS-EU-Q47)? Ergebnisse kognitiver Interviews im Rahmen des Projektes „Messung der Gesundheitskompetenz bei Jugendlichen“ (MOHLAA)

O Domanska 1, C Firnges 1, S Jordan 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin

Hintergrund: Gesundheitskompetenz (Health Literacy) bezeichnet Fähigkeiten und Fertigkeiten im Umgang mit Gesundheitsinformationen. Zur Erfassung der allgemeinen Gesundheitskompetenz von Jugendlichen liegen keine breit einsatzbaren Erhebungsinstrumente in deutscher Sprache vor. Das MOHLAA-Projekt am Robert Koch-Institut (RKI) hat das Ziel, ein Erhebungsinstrument zur Messung allgemeiner Gesundheitskompetenz von Jugendlichen zu entwickeln. Der Europäische Health Literacy Survey Questionnaire (HLS-EU-Q47), der für Erwachsene konzipiert wurde, dient dabei als Grundlage. In der ersten Phase des MOHLAA-Forschungsprojekts wurden die Verständlichkeit und Geeignetheit der Items des deutschsprachigen HLS-EU-Q47 bei Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren überprüft.

Methoden: Mit der qualitativen Methode des kognitiven Interviews wurden die kognitiven Prozesse bei der Beantwortung der Items des HLS-EU-Q47 bei Jugendlichen untersucht. Dazu wurde ein „Convenience-Sample“ (n = 20) nach den folgenden Merkmalen quotiert gezogen: Geschlecht, Altersgruppe (14 – 17 Jahre) und Bildung anhand besuchter Schulform (Gymnasium versus andere Schulformen). Die Durchführung der kognitiven Interviews erfolgte anhand eines semistrukturierten Leitfadens, in dem Nachfragetechnik eingesetzt wurde. Die Interviews fanden zwischen Dezember 2015 und März 2016 am RKI in Berlin statt. Sie wurden aufgezeichnet, partiell transkribiert und anhand der vorher festgelegten, von der Theorie des kognitiven Testens abgeleiteten Kriterien ausgewertet. Analyseschwerpunkte waren die Identifizierung von Verständnisproblemen sowie das Wissen und die Erfahrungen, die den Antworten zugrunde liegen.

Ergebnisse: An den kognitiven Interviews nahmen 7 Gymnasiasten und 13 Jugendliche aus anderen Schulformen teil (integrierte Sekundarschulen, berufliche Schulen etc.), davon waren 9 Jungen und 11 Mädchen. Es zeigte sich, dass bestimmte Begriffe wie zum Beispiel „Gesundheitsrisiken“ oder „Lebensverhältnisse“ nicht von allen Jugendlichen verstanden wurden. Die fehlende Erfahrung im Umgang mit dem Gesundheitssystem, der Krankheitsprävention und Förderung der eigenen Gesundheit erschwerte für die Jugendlichen die Beantwortung der Items. Einige Items wurden aufgrund eines hohen Abstraktionslevels und der fehlenden eigenen Erfahrung in diesen Themenbereichen nicht vollständig verstanden. Dennoch wurde häufig eine Antwort angekreuzt.

Diskussion und Fazit: Die Ergebnisse der kognitiven Interviews weisen darauf hin, dass im Alter von 14 bis 17 Jahren nicht alle Formulierungen, Begriffe, Hinweise und Inhalte einzelner Items des HLS-EU-Q47 verstanden werden. Bei der Entwicklung des MOHLAA-Fragebogens sollen diese an die Lebenswelt und den Entwicklungsstand der Jugendlichen angepasst werden.