Gesundheitswesen 2016; 78 - A190
DOI: 10.1055/s-0036-1586699

„Ohne uns würde die Praxis nicht laufen“ – Eine qualitative Studie zu den psychosozialen Arbeitsbedingungen Medizinischer Fachangestellter

P Vu-Eickmann 1, A Loerbroks 2
  • 1Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf, Düsseldorf
  • 2Universität Düsseldorf, Düsseldorf

Hintergrund: Medizinische Fachangestellte (MFAs) zählen in Deutschland zu der größten Berufsgruppe in der ambulanten Versorgung. Zahlreiche Studien zeigen Zusammenhänge zwischen hohen Arbeitsbelastungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter Beschäftigen im Gesundheitswesen. Während in der Forschung bislang vor allem Ärzte und Pflegekräfte im Fokus standen, sind die Erkenntnisse zu MFAs begrenzt.

Zielsetzung: Die vorliegende Studie hat sich zum Ziel gesetzt, vertiefende Erkenntnisse zu den Arbeitsbedingungen, -belastungen und Ressourcen zu erlangen.

Methode: Potentielle Studienteilnehmer/innen wurden sowohl basierend auf einer randomisierten Stichprobe von Praxen im Düsseldorfer Raum als auch über den Verband medizinischer Fachberufe e.V. (VMF) kontaktiert. Arbeitsbezogene Stressoren, Ressourcen und verwandte Aspekte (z.B. Coping mit Arbeitsstress) wurden mithilfe qualitativer Tiefeninterviews beleuchtet. Die Interviews wurden leitfadengestützt in direktem persönlichen Kontakt oder per Telefon durchgeführt. Die Interviews wurden mitgeschnitten, transkribiert und inhaltsanalytisch mittels MaxQDA ausgewertet.

Ergebnisse: Es wurden insgesamt 26 Interviews im Zeitraum von November 2015 bis Februar 2016 durchgeführt. Hierbei zeigte sich, dass u.a. ein hohes Arbeitspensum (z.B. Patientenaufkommen; Personalmangel), häufige Unterbrechungen (z.B. durch Telefon; dringende Anliegen) und Multitasking (vor allem im Empfangsbereich einer Arztpraxis) als berufsbezogene Stressoren erlebt werden. Als berufsbezogene Ressourcen werden die sozialen Aspekte des Berufes (z.B. Umgang mit Menschen; positives Feedback der Patienten), die abwechslungsreichen Tätigkeiten (z.B. Bürotätigkeit; Patientenkontakt) sowie die medizinischen Tätigkeiten benannt. Darüber hinaus erleben MFAs eine starke Unzufriedenheit bezüglich ihres geringen Gehaltes und der häufig fehlenden Anerkennung vom Arbeitgeber und der Gesellschaft.

Diskussion: In bisherigen Studien unter MFAs wurde vorwiegend deren Arbeitszufriedenheit untersucht, die bezogen auf das Einkommen und die Anerkennung für die geleistete Arbeit am geringsten ausgeprägt ist. Dies wird in der vorliegenden qualitativen Erhebung bestätigt. Insgesamt zeigte sich, dass die Arbeitsbedingungen von MFAs durch hohe Anforderungen, wenige Einflussmöglichkeiten und eine geringe Entlohnung gekennzeichnet sind. Insbesondere aus dieser Kombination kann entsprechend der gängigen Arbeitsstressmodelle eine Gefährdung der psychischen Gesundheit resultieren.

Schlussfolgerung und Praxisrelevanz: Die Ergebnisse der Studie leisten einen Beitrag zum Verständnis arbeitsbezogener Stressoren und Ressourcen unter MFAs und können, ergänzt durch weitere Forschungsvorhaben, den Startpunkt für die Ableitung präventiver Maßnahmen darstellen. Referenzen beim Verfasser.