Gesundheitswesen 2016; 78 - A162
DOI: 10.1055/s-0036-1586672

20 Jahre Krankenhausfallanalyse in Sachsen-Anhalt – Wie geht es weiter?

E Swart 1, S Piedmont 2, BP Robra 2
  • 1Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, Magdeburg
  • 2Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie, Magdeburg

Hintergrund: Die 1996 erstmals publizierte Krankenhausfallanalyse für die AOK Sachsen-Anhalt konzentrierte sich bewusst auf die Analyse der stationären Versorgung in einem Bundesland. Sie wurde ein Prototyp für daran anknüpfende und aufbauende Analysen von Routinedaten der gesetzlichen Krankenkassen, auch aus anderen Versorgungssektoren.

Fragestellung: Die regelmäßigen Fortschreibungen der Krankenhausfallanalyse erbrachten eine Vielzahl methodischer und inhaltlicher Erkenntnisse für die kleinräumige Versorgungsforschung und -planung.. Die Erfahrungen aus 20 Jahren Krankenhausfallanalyse sollen für einen Ausblick auf neue Möglichkeiten der Versorgunganalysen des stationären Sektors genutzt werden.

Methodik: Grundlage der Krankenhausfallanalysen waren jeweils sämtliche teil- und vollstationären Behandlungsfälle aller Versicherten der AOK Sachsen-Anhalt, unabhängig von ihrem Erbringungsort und deren Leistungsdokumentation nach §301 SGB V. Für definierte Fragestellungen wurden zusätzlich Leistungsdaten aus anderen Versorgungssektoren herangezogen.

Ergebnisse: Der stationäre Sektor ist durch hohe Dynamik gekennzeichnet (Bettenabbau, steigende Fallzahl, sinkende Verweildauer, Verlagerungen der Leistungsschwerunkte zu chronischen Erkrankungen, starker Anstieg der Notfallaufnahmen). Die Analyse zeigte deutliche regionale Versorgungsheterogenität mit strukturellen, patienten- und leistungserbringerbezogenen Determinanten. Die Analyse von Patientenwanderungen über die Landes- und Landkreisgrenzen ist relevant für die Landeskrankenhausplanung. Ein hoher Anteil der Leistungen entfällt auf sog. (Drehtür-)Patienten. Indikationsspezifische Analysen belegten die Wirksamkeit diabetologischer Schwerpunktpraxen und gaben Hinweise auf angebotsindizierte Inanspruchnahme, z.B. aufgrund eines hohen Anteils von Linksherzkatheteruntersuchungen ohne nachfolgende therapeutische Intervention. Ein Vergleich (Benchmarking) strukturgleicher oder räumlich benachbarter Krankenhäuser ermöglicht.

Diskussion: Die bislang jährliche Routineberichterstattung wird zukünftig durch die Zusammenarbeit zwischen Kostenträger (AOK Sachsen-Anhalt) und Forschung zur Bearbeitung aktueller und inhaltlich abgegrenzter Fragestellungen zur Optimierung der Versorgung ersetzt. Aus den bisherigen Analysen ergibt sich v.a. weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich der kardiologischen und geriatrischen Versorgung, der Versorgung von suchtkranken Patienten oder der begleitenden Evaluation von Versorgungsstrukturen (z.B. Medizinischer Versorgungszentren), von Selektivverträgen oder Initiativen zur Reduzierung stationärer Inanspruchnahme bei chronischen Erkrankungen.

Praktische Implikationen: Die kleinräumig angelegten Analysen aus Sachsen-Anhalt haben maßgeblich dazu beigetragen, Routinedaten der GKV für die Versorgungs- und Evaluationsforschung zu erschließen und eine breite Akzeptanz für Sekundärdatenanalysen zu schaffen. Unter Nutzung neuer methodischer Zugänge (sektor- und kassenübergreifende Analyse, ggf. mit Linkage ergänzender Primärdaten und/oder qualitativer Forschungsansätze) wird sich das Potenzial für die Versorgungsforschung und -planung weiter entfalten. Referenzen beim Verfasser.