Gesundheitswesen 2016; 78 - A124
DOI: 10.1055/s-0036-1586634

Körperliche (In)Aktivität: wie lassen sich notwendige Daten für die Modellierung von Präventionseffekten in NRW gewinnen?

M Mensing 1, O Mekel 1
  • 1Landeszentrum Gesundheit NRW, Bielefeld

Hintergrund: Die dynamische Modellierung alternativer Risiko-Expositions-Szenarien mit der Software DYNAMO-HIA (‚DYNAmic MOdel for Health Impact Assessment‘) ermöglicht eine quantitative Abschätzung gesundheitlicher Auswirkungen von politischen Entscheidungen und Interventionen. Dabei erfolgt die Simulation der ausgewählten Bevölkerung auf Grundlage epidemiologischer kausaler Wirkungsketten, und es können Veränderungen der Exposition im Lebenslauf der Individuen berücksichtigt werden. Viele der für die Modellierung benötigten Prävalenzdaten zu wichtigen Risikofaktoren (Alkohol, Rauchen, BMI) und ihren assoziierten chronischen Erkrankungen auf Bundesebene stehen den Anwenderinnen und Anwendern zur Verfügung, ebenso Angaben zu den verknüpfenden Relativen Risiken (RR). DYNAMO-HIA ist ein generisches Tool, das die Aufnahme weiterer Daten erlaubt, z.B. eines Risikofaktors.

Methode: Für die NRW-Bevölkerung soll „unzureichende körperliche Aktivität“ als zu modellierender Risikofaktor mit wachsender Bedeutung hinzugefügt werden. Dafür werden u.a. alters- und geschlechtsspezifische Prävalenzdaten, Mortalitätsrisiken, und die erkrankungsspezifische Relative Risiken (RR) benötigt. 10 verschiedene Datenquellen wurden daraufhin geprüft, ob die benötigten Prävalenzdaten auf Bundesebene, idealerweise auf NRW-Ebene, vorliegen. Die Auswahl der assoziierten Gesundheitsendpunkte basierte auf hinreichende Evidenz der epidemiologischen Beziehung zu körperlicher Aktivität. Eine umfangreiche internationale Literaturrecherche wurde durchgeführt, um dazugehörige Relative Risiken zu eruieren.

Ergebnisse: Für „Körperliche Aktivität“ wurden Prävalenzdaten aus Surveys des deutschen Robert Koch-Instituts (KIGGS Welle 1, GEDA-NRW 2009/2010) aufgrund ausreichender Samplegröße und Altersspanne als zielführend ausgewählt. Inputdaten werden für jedes Altersjahr 0 – 95 Jahre benötigt; fehlende Alterskategorien wurden linear-proportional berechnet und interpoliert. Die Literaturrecherche zu den RRs gestaltete sich schwierig, da die Messung körperlicher Aktivität in internationalen Studien in nicht-standardisierten, vielfältigen Dimensionen erfolgt, wie z.B. Bewegungsanlass, -dauer, -häufigkeit, -art oder -intensität. Auch werden verschiedene Grenzwerte zur Kategorienbildung verwendet. Für die NRW-Modellierung wurden daher Meta-Analysen herangezogen, die über Aktivitätsintensität und -häufigkeit gemäß den WHO-Empfehlungen berichten. Bei der Auswahl publizierter Risikoschätzer wurde RRs aus groß angelegten Studien, möglichst aus Deutschland/Europa, bevorzugt verwendet. Die assoziierten Gesundheitsendpunkte sind Gesamtsterblichkeit, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Typ2-Diabetes mellitus, Darmkrebs und Brustkrebs.

Schlussfolgerung: Die Erweiterung der DYNAMO-HIA-Datenbank um den vielschichtigen, unterschiedlich gemessenen Risikofaktor „Körperliche Aktivität“ ist eine machbare, wenngleich herausfordernde Aufgabe. Bei der Datenauswahl müssen Kompromisse eingegangen, beim Transfer ausgewählter Studienergebnisse auf die NRW-Bevölkerung limitierende Prämissen formuliert werden. Diese werden einer Unsicherheitsanalyse unterzogen und bei der Interpretation von NRW-Modellierungsergebnissen beachtet. Referenzen beim Verfasser.