Gesundheitswesen 2016; 78 - A120
DOI: 10.1055/s-0036-1586630

Adipositas: Trends gesundheitlicher Ungleichheit in Europa

K Hoffmann 1, R De Gelder 2, Y Hu 2, JP Mackenbach 2, 3, FJ van Lenthe 2
  • 1Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Medizinische Fakultät Mannheim, Universität Heidelberg, Deutschland, Mannheim
  • 2Department of Public Health, Erasmus MC, Medical University Center Rotterdam, Rotterdam
  • 3in behalf of the DEMETRIQ study group, Rotterdam

Hintergrund: In den letzten Jahrzehnten sind fast überall in Europa Mortalitätsraten kontinuierlich gesunken und Lebenserwartungen kontinuierlich gestiegen1. Gesundheitliche Ungleichheit zwischen sozial schlechter und sozial besser gestellten Menschen stellt aber nachwievor eine große Herausforderung dar1. Wir sehen sozio-ökonomisch bedingte Unterschiede bezüglich Mortalitäts- und Morbiditätsraten, wie z.B. Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes. Einer der bedeutendsten Risikofaktoren in diesem Zusammenhang ist Adipositas, deren Prävalenzrate stetig ansteigt und das mittlerweile nicht mehr nur in Industrieländern2. Die Analyse von zeitlichen Trends in gesundheitlicher Ungleichheit von Adipositas in einer in sich sehr heterogenen Weltregion wie Europa soll daher helfen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten in der zeitlichen Entwicklung von Ungleichheiten zu erkennen, zu analysieren und Anknüpfungspunkte für Public-Health-Strategien zu finden.

Methoden: Die Analysen erfolgten auf Basis von harmonisierten Daten aus repräsentativen Gesundheitssurveys im Rahmen der DEMETRIQ-Studie („Developing methodologies to reduce inequalities in the determinants of health“)3. Prävalenzraten für Adipositas getrennt nach Geschlecht, Bildungsstatus und Erhebungsjahr wurden für die Altersgruppe der 30 – 64-jährigen in 15 europäischen Ländern kalkuliert. Die Variablen für absolute und relative Ungleichheit zwischen den Gruppen mit niedriger und hoher Bildung errechneten sich aus den „rate differences (RD)“ und „rate ratios (RR)“ getrennt für Männer und Frauen pro Erhebungsjahr. Um die Zeittrends zu ermitteln, wurden im Anschluss Meta-Regressionen für jedes Land durchgeführt: zum einen mit RD, zum anderen mit RR als Outcome-Variabel. Random-Effekt-Schätzer wurden für jedes Land einzeln und Gesamteuropa ermittelt und in Forestplots dargestellt.

Ergebnisse: In fast allen untersuchten Ländern in Europa ist sowohl bei Männern als auch bei Frauen ein steigender Trend in absoluter gesundheitlicher Ungleichheit bei Adipositas zu beobachten. Die Entwicklung der relativen Ungleichheit ist hingegen zwischen 1990 und 2010 eher stagnierend beziehungsweise leicht rückläufig.

Diskussion/Schlussfolgerung: Die untersuchten Länder scheinen sich zwischen 1990 und 2010 in den Trends sozio-ökonomischer Ungleichheit bei Adipositas anzugleichen, obwohl es in früheren Jahrzehnten deutliche Unterschiede zwischen Norden und Süden, sowie Osten und Westen gegeben hat. Das spricht für eine länderübergreifende Veränderung der gesellschaftlichen und strukturellen Umstände in Richtung einer „obesogenen“ Umwelt. Mit Blick auf Prävention und Gesundheitsförderung sollten wir daher weniger auf das Individuum abzielende Strategien, sondern vielmehr komplexe Interventionen entwickeln, die gleichzeitig auf den verschiedenen Ebenen des sozio-ökologischen Modells angreifen. Referenzen beim Verfasser.