Gesundheitswesen 2016; 78 - A115
DOI: 10.1055/s-0036-1586625

Untersuchung kleinräumiger Versorgungsdichten mit Kinderarztpraxen im Zusammenhang mit stadtteilbezogenen demographischen und sozioökonomischen Faktoren am Beispiel einer Ruhrgebietsstadt

K Grell 1, R Sutcliffe 2, S Moebus 3, D Lemke 4
  • 1Institut für Geografie, Universität Münster, Münster
  • 2Zentrum für Urbane Epidemiologie, Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie, Universitätsklinikum Essen, Universität Duisburg-Essen, Essen
  • 3Universitätsklinikum Essen, Essen
  • 4Fachbereich Geowissenschaften, Universität Münster, Münster

Hintergrund: Ungleiche medizinische Versorgungsmöglichkeiten werden derzeit insbesondere im Hinblick auf die unterschiedliche Verteilung zwischen Stadt und Land diskutiert. Dabei wird die räumliche Verteilung der vertragsärztlichen Versorgungssituation auch innerhalb von Städten von vielen Faktoren beeinflusst. Neben Zulassungsvorgaben spielen ökonomische Faktoren bei der Standortwahl eine große Rolle, was häufig zu einer Vermeidung von Niederlassungen in sozioökonomisch benachteiligten Stadtteilen führt.

Ziel: Am Beispiel der Stadt Essen soll das räumliche Verteilungsmuster von Kinderärzt/innen adjustiert für stadtteilbezogene Bevölkerungsdichte, Alter und Geschlecht sowie sozioökonomische Faktoren untersucht werden.

Methode: Um das räumliche Verteilungsmuster der Versorgungsdichte möglichst genau zu schätzen, wurde das Verfahren der Kerndichteschätzung angewendet. Hierzu wurde eine Datenbank für die Adressen sämtlicher niedergelassener Ärzte und Gemeinschaftspraxen auf Grundlage der „gelben Seiten“ angelegt und die Adressen geokodiert. Die Berechnung der Kerndichte sowie die Adjustierung der Kerndichte auf die entsprechenden stadtteilbezogenen, demographischen (Einwohnerzahl unter 18 Jahren) und sozioökonomischen Hintergrundvariablen (Arbeitslosen- und Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung) wurde mit der freiverfügbaren Software „CrimeStat“ Version 4.02 (Levine 2015) durchgeführt.

Ergebnis: Erste Ergebnisse für die Stadt Essen lassen erkennen, dass die unadjustierte Kinderarztdichte im Untersuchungsgebiet nicht gleich verteilt ist. So schwankt die Kinderarztdichte zwischen 0 und 1,91 Ärzte pro km2 und ist im Osten der Stadt am höchsten. Die Adjustierung der Kinderarztdichte auf die Bezugsbevölkerung zeigt, dass die höchste Anzahl Kinderärzte pro Einwohner unter 18 Jahren in süd-östlichen Stadtgebieten mit geringem Arbeitslosen- und Ausländeranteil sowie Einwohnerdichte zu beobachten ist (mit über 8 Kinderärzten pro 1000 Kindern unter 18 Jahren). Die geringste Arztdichte findet sich dagegen in den nördlichen Stadtgebieten mit im Median 0,2 Kinderärzten pro 1000 Kindern.

Diskussion/Ausblick: Diese ersten Ergebnisse zeigen deutlich, dass sich Kinderarztpraxen in Essen nicht an demographischen Gegebenheiten orientieren. So ist tendenziell eine höhere Kinderarztdichte in sozioökonomisch besser gestellten Stadtteilen zu beobachten. Zudem erwies sich hier die Kerndichteschätzung als geeignete Methode zur genauen räumlichen Bestimmung des Anteils von Arztpraxen bezogen auf wichtige stadtteilbezogene, sozioökonomische und demographische Faktoren. In weiteren Analysen muss geprüft werden, inwieweit dieses Instrument die Ermittlung von Über-, Unter- und Fehlversorgung unterstützen und somit als mögliches Steuerungsinstrument für Niederlassungen dienen kann.