Gesundheitswesen 2016; 78 - A113
DOI: 10.1055/s-0036-1586623

Korornare Revaskularisation nach Myokardinfarkt in vulnerablen Versichertengruppen – ein kasssenübergreifende Analyse von GKV-Routinedaten

EM Bitzer 1, C Lorenz 2, HW Priess 3, T Schäfer 4
  • 1Pädagogische Hochschule Freiburg, Freiburg
  • 2Boehringer Ingelheim, Ingelheim
  • 3AGENON, Berlin
  • 4Westfälische Hochschule, Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen, Bocholt

Hintergrund: Die koronare Revaskularisation nach Myokardinfarkt (MI) senkt die Mortalität und gehört daher zur leitlinengerechten Versorgung. Bislang ist nur wenig darüber bekannt, ob, und wenn ja, wie sich die Versorgung vulnerabler Gruppen nach MI von der übrigen Bevölkerung unterscheidet. Untersucht haben wir daher die Revaskularisationsrate bei MI-Patienten sowie die Rate erneuter Revaskularisationen im ersten Jahr nach der Indexbehandlung.

Daten und Methoden: Ausgewertet wurden pseudonymisierte Abrechnungsdaten der AOK Niedersachsen und der Kaufmännischen Krankenkasse der Abrechnungsjahre 2004 bis 2010. Einbezogen wurden Versicherte mit einem dokumentierten Myokardinfarkt im Jahr 2006 (I21 oder I22 im ICD 10, ambulant oder stationär dokumentiert), aber ohne entsprechendes Ereignis in den Jahren 2004 und 2005. Als vulnerabel galten Frauen, Hochbetagte (≥ 80 Jahre) und Personen mit türkischen Migrationshintergrund (türkMigH; dieses Merkmal wurde in der jeweiligen Hauptverwaltung der beteiligten Krankenkassen mit der Onomastik-Methode erzeugt). Zur Nachbeobachtung standen die Jahre 2007 bis 2010 zur Verfügung. Multivariat haben wir für die drei betrachteten vulnerablen Gruppen mit der negativen Binomialregression standardisierte Ereignisraten berechnet.

Ergebnisse: Die Kohorte umfasst 8.854 Versicherte, darunter 4.136 Frauen (46,7%), 1.948 Hochbetagte (Alter ≥ 80 Jahre; 22,0%), 187 Versicherte mit türk.MigH (2,1%) und 177 Ausländer ohne türk.MigH (2,0%). Bei 41,4% der Patienten ist im Jahr 2006/07 eine koronare Revaskularisation dokumentiert. Die Re-Interventionsrate im erst Jahr beträgt 6,4 Prozent.

Die standardisierte Ratet für eine koronare Revaskularisation ist bei Männern in etwa 40% höher als bei Frauen (SMR = 1,43; 95%-KI: 1,34 bis 1,53). Hochbetagte haben eine deutlich geringere Chance, im Jahr nach dem Herzinfarkt koronar revaskularisiert zu werden (SMR = 0,46; 95%-KI: 0,41 bis 0,52), ebenso wie Menschen mit türkMigH (SMR = 0,75; 95%-KI: 0,61 bis 0,93). Die Versicherten mit türkMigH liegen um 25% bis 20% unter den Deutschen ohne türkMigH. Die 1-Jahres Re-Interventionsrate beträgt in allen Beobachtungsjahren zwischen zwischen 6,9 und 9,0 pro 100 Index-Eingriffe und unterscheidet sich nicht zwischen vulnerablen Gruppen und der übrigen Bevölkerung.

Diskussion/Schlussfolgerung: Damit zeigt sich altersstandardisiert für die vulnerablen Gruppen eine erhebliche Unterversorgung mit revaskularisierenden Maßnahmen im Vergleich zu der jeweiligen Referenzgruppe. Bei Hochbetagten um den Faktor ½, bei Frauen etwa um den Faktor ⅔. Referenzen beim Verfasser.