Gesundheitswesen 2016; 78 - A106
DOI: 10.1055/s-0036-1586616

Erfahrungen von Eltern mit der medizinischen Versorgung ihres behinderten Kindes

F Röwekamp 1, B Babitsch 1, D Langner 2
  • 1Universität Osnabrück, Fachgebiet New Public Health, Osnabrück
  • 2Techniker Krankenkasse, Wissenschaftliches Institut der TK für Nutzen und Effizienz im Gesundheitswesen, Hamburg

Einleitung: Die Kinderreha-Versorgungsstudie erhebt die Versorgungsrealität und -qualität in der Hilfsmittelversorgung von Kindern und Jugendlichen. Ein Teilaspekt der Studie zielte auf die Analyse der Erfahrungen von Eltern mit der medizinischen Versorgung ihres behinderten Kindes ab.

Ziel der Fragestellung: Ein Ziel der Kinderreha-Versorgungsstudie ist die adäquate Erfassung von Versorgungsrealität und -qualität in der Hilfsmittelversorgung von TK-versicherten Kindern und Jugendlichen in Deutschland. Dazu gehört auch die Beschreibung der bislang wenig erforschten Perspektive von Eltern auf die medizinische Versorgung ihrer behinderten Kinder.

Methoden: Aufbauend auf den Ergebnissen von 65 leitfadengestützten Experten/-inneninterviews wurde ein Fragebogen konstruiert, der im quantitativen Studienteil eingesetzt wurde. Neben spezifischen für die Studie entwickelten Fragen beinhaltete der Fragebogen auch standardisierte Instrumente, wie den MPOC german (Measure of Processes of Care), der mit zwanzig Items den medizinischen Versorgungsprozesses von Kindern aus der Elternperspektive erhebt. An der Befragung beteiligten sich 784 TK-versicherte Eltern.

Ergebnisse: Die Auswertung des MPOC zeigt, dass die Eltern die medizinische Versorgung in vielen Teilbereichen positiv bewerten. So gaben beispielsweise 43,1% (n = 733) der Eltern an, dass die Bedürfnisse ihres Kindes „ganzheitlich“ (geistig, emotional und sozial) betrachtet werden. Bei Fragen mit dem Wort „Information“ gibt es die meisten schlechten Bewertungen. 35,8% (n = 720) der befragten Eltern gaben beispielsweise an, dass sie nur geringe Unterstützung bei der Beschaffung von Informationen in verschiedenen Formen (z.B. Flyer, Broschüren, Videos usw.) erlebt haben. Auch die Unterstützung bei der Kontaktvermittlung zu anderen Eltern wird von 38,3% (n = 716) als gering bzw. sehr gering beschrieben.

Diskussion: Die Auswertung anderer Studienteile ergibt, dass Eltern in der Regel zu Experten/-innen der Hilfsmittelversorgung ihrer Kinder werden und dass diese Rolle ein wichtiger Qualitätsindikator für das Gelingen der Hilfsmittelversorgung ist. Häufig wird der Prozess aber auch als aufwendig beschrieben. Konsequenzen für Eltern und Kinder, die sich aus den vielfältigen Aufgaben ergeben, können derzeit kaum abgeschätzt werden.

Schlussfolgerung und Praxisrelevanz: Eltern bekleiden eine zentrale Rolle im Hilfsmittelversorgungsprozess von Kindern und stehen dabei verschiedenen Herausforderungen gegenüber. Unterstützungsangebote für Eltern konnten identifiziert werden. Der MPOC zeigt aber auch Verbesserungspotential hinsichtlich der Unterstützungsmöglichkeiten im genannten Bereich auf.