Gesundheitswesen 2016; 78 - A100
DOI: 10.1055/s-0036-1586610

Gender Transformative Health Promotion: Ein Ansatz für geschlechtergerechte Prävention und Gesundheitsförderung nach dem 2015 verabschiedeten Präventionsgesetz

I Jahn 1
  • 1Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie BIPS, Bremen

Einleitung/Hintergrund: Nach dem Präventionsgesetz sollen die Leistungen der Krankenkassen den geschlechtsspezifischen Besonderheiten Rechnung tragen (§2b) bzw. geschlechtergerecht sein (§25). Zudem sollen Gesundheitsförderung und Prävention zur Verminderung sozialer und geschlechtsbezogener Ungleichheit beitragen (§20).

Ziel/Fragestellung: Es soll der kanadisch/australische Ansatz gender-transformativer Gesundheitsförderung im Hinblick auf die Umsetzung der im Präventionsgesetz formulierten Anforderungen und Ziele dargestellt und diskutiert werden.

Ergebnisse: Gender-transformative Health Promotion wurde in transdisziplinären Teams von Wissenschaftler*innen, Praktiker*innen und Politiker*innen in Kanada und Australien entwickelt [1]. Ziel war es, Gesundheitsförderung für Frauen und Mädchen effektiver zu gestalten. Ausgangspunkt ist der Zusammenhang von Geschlechterungleichheit in der Gesellschaft und geschlechtsbezogener Ungleichheit in der Gesundheit [2,3]. Das entwickelte Framework unterscheidet Angebote der Gesundheitsförderung nach ihrem Bezug auf Geschlechterungleichheit. Genderblinde bzw. genderungleiche Angebote ignorieren Geschlechterunterschiede oder stereotypisieren diese. Gendersensibel sind Angebote, die Geschlechterunterschiede adressieren. Kennzeichnend für gender-transformative Angebote ist es, Maßnahmen zu entwickeln, die die Verbesserung der Gesundheit und zugleich mehr Geschlechtergerechtigkeit zum Ziel haben. Dreh- und Angelpunkt dieses Konzeptes ist eine genderreflexive und stereotypen-sensible Praxis, die die Veränderung von geschlechtsspezifischen Risiko- und Gesundheitsverhalten und die damit verbundenen Geschlechternormen (Männlichkeit, Weiblichkeit) gleichermaßen in den Blick nimmt. In diesem Sinne sollten zum Beispiel Bewegungsprogramme empowerment-fördernd angelegt und Frauen/Mädchen und Männer/Jungen nicht stereotypisierend im Hinblick auf Geschlechterrollen (z.B. Frauen als Mütter, Männer als Familienernährer) angesprochen werden. Das Konzept wurde aus Frauensicht entwickelt, der Ansatz ist jedoch nicht auf Frauenperspektiven begrenzt. Bereits in den vorhandenen Handlungsempfehlungen sind männliche Perspektiven integriert. So wird empfohlen, Programme mit verschiedenen Angeboten, geschlechterspezifischen und geschlechtergemischten, aufzulegen. Dies ermöglicht, geschlechtsbezogene Unterschiede in Bedarfen und Bedürfnissen zu adressieren sowie vergleichend zu evaluieren. Wichtige Elemente des Konzepts sind Evidenzbasierung, Kultursensibilität, Handlungsorientierung und Partizipation.

Diskussion/Fazit: Das Konzept gender-transformative Gesundheitsförderung integriert die im Präventionsgesetz formulierten Ziele von Prävention und Gesundheitsförderung und kann als Rahmenmodell für die Umsetzung dienen. Es schließt an Konzepte von Geschlechtersensibilität in Epidemiologie und Public Health [4] ebenso an wie an Empfehlungen zur Berücksichtigung von Geschlecht im Rahmen des Querschnittsziels „Gesundheitliche Chancengleichheit“ [5].

Schlussfolgerungen/Praxisrelevanz: Das Konzept gender-transformativer Gesundheitsförderung liefert einen Handlungsrahmen für eine nicht stereotypisierende auf die Verminderung sozialer, geschlechtsbezogener und gesundheitlicher Ungleichheit gerichteter Programme im Rahmen des Präventionsgesetzes. Referenzen beim Verfasser.