Gesundheitswesen 2016; 78 - A92
DOI: 10.1055/s-0036-1586602

Zeitliche Entwicklung kardiometaboler Risikofaktoren bei Erwachsenen in Deutschland – Ergebnisse bundesweiter Gesundheitssurveys 1990 – 2011

J Finger 1, C Scheidt-Nave 1, Y Du 1, C Heidemann 1, M Busch 1, H Neuhauser 1, H Knopf 1, A Schienkiewitz 1, J Truthmann 1, R Kuhnert 1, A Schaffrath-Rosario 1, T Lampert 1, G Mensink 1, BM Kurth 1
  • 1Robert Koch-Institut, Berlin

Hintergrund/Fragestellung: Bluthochdruck und Störungen des Blutzucker- und Fettstoffwechsels sind zentrale, beeinflussbare Risikofaktoren für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Daten aus bundesweiten Interview- und Untersuchungssurveys bei Erwachsenen in Deutschland wurden genutzt, um die zeitliche Entwicklung über einen Zeitraum von 20 Jahren seit der Wiedervereinigung Deutschlands mit Blick auf unterschiedliche Entwicklungen in Ost- und Westdeutschland zu analysieren.

Studiendesign/Methoden: Die Analyse basiert auf Daten aus drei Gesundheitssurveys für Erwachsene in Deutschland, für die eine bundesweite Cluster-Stichprobe aus Einwohnermelderegistern gezogen wurden: Gesundheitssurvey Ost/West 1990 – 1992, Bundes-Gesundheitssurvey 1998, Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland 2008 – 2011. Das gemeinsame Altersspektrum war auf 25 – 69 Jahre begrenzt. Berechnet wurden Survey-spezifische Mittelwerte von systolischem Blutdruck, Gesamtcholesterin und Serumglukose sowie Diagnoseprävalenzen (laut Selbstbericht) für Bluthochdruck, Hyperlipidämie, Diabetes mellitus und Prävalenzen für die aktuelle Anwendung von Blutdrucksenkern, Lipidsenkern, Antidiabetika. Die Ergebnisse wurden auf die Bevölkerungsstruktur vom 31.12.2010 altersstandardisiert.

Ergebnisse: Bei Männern und Frauen ist der mittlere systolische Blutdruck zwischen 1990 – 92 und 2008 – 11 kontinuierlich gesunken, während die Prävalenzen von selbstberichtetem Bluthochdruck und der Anwendung von Blutdrucksenkern insbesondere zwischen 1998 und 2008 – 11 zugenommen haben. Das mittlere Gesamtcholesterin und die mittlere Serumglukose sind vor allem zwischen 1998 und 2008 – 11 gesunken. Parallel dazu ist die Anwendungsprävalenz von Lipidsenkern und (in geringerem Maße und nur bei Männern) von Antidiabetika angestiegen. Während sich die Prävalenz einer bekannten Hyperlipidämie über die Zeit nicht verändert hat, ist die Prävalenz eines bekannten Diabetes angestiegen, signifikant allerdings nur bei Frauen. Die Entwicklung in Ost- und Westdeutschland war ähnlich, abgesehen von deutlichen Unterschieden im Ausgangsniveau der Risikofaktoren und entsprechenden Unterschieden in der relativen Veränderung über die Zeit.

Diskussion/Fazit: Unter Annäherung der Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland sind in Deutschland bei Männern und Frauen im Alter von 25 – 69 Jahren mittlere Messwerte der wichtigsten kardiovaskulären Risikofaktoren über die letzten 20 Jahre rückläufig, bei gleichzeitiger Zunahme in der Prävalenz von Diagnosen und medikamentöser Behandlung. Die zeitlichen Trends dieser Risikofaktoren und deren weitere Beobachtung im Rahmen des RKI-Gesundheitsmonitorings sind von Relevanz für Prävention und Versorgung.