Gesundheitswesen 2016; 78 - A86
DOI: 10.1055/s-0036-1586596

StadtGesundheit am Beispiel Hamburg – Blickfelderweiterung durch thematische Integration

R Fehr 1, R Fertmann 2, N Lettau 3, KP Stender 2, A Trojan 4, C Hornberg 1
  • 1Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld
  • 2Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg, Hamburg
  • 3c/o Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg, Hamburg
  • 4Institut für Medizinische Soziologie, Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf, Hamburg

Hintergrund: Ein beachtlicher Teil gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Geschehens kreist um Gesunderhaltung, Gesundheitsförderung sowie den Umgang mit Krankheit samt Therapie und Pflege. Gleichwohl ist der politische Stellenwert des Themas Gesundheit bisher gering. Das Konzept StadtGesundheit (Urban Health) soll helfen, urbanes Gesundheitsgeschehen bewußter zu machen, den Einfluss von Fachpolitiken zu verstehen und Entwicklungen gesundheitspositiv zu beeinflussen.

Ziel: Anhand einer Fallstudie zur StadtGesundheit werden der Nutzwert einer solchen Blickfelderweiterung aufgezeigt und Optionen für den Ausbau benannt.

Methodik: Die zugrunde liegende, orientierende Fallstudie zu StadtGesundheit im Stadtstaat Hamburg basiert auf Literaturanalyse und ExpertInnenurteil; sie kombiniert einen historischen Rückblick mit einer synoptischen Darstellung des Status quo. Der vorliegende Beitrag baut darauf auf und ist das Ergebnis eines Diskussionsprozesses unter den beteiligten AutorInnen.

Ergebnisse: Für eine Blickfelderweiterung als umfassende „Gesamtschau“ auf StadtGesundheit sprechen mehrere Gründe: (1) Die anschauliche Deskription von Komplexität und Umfang gesundheitlicher Strukturen und Prozesse hat das Potenzial, zur angemesseneren Wahrnehmung und Wertschätzung des Themas Gesundheit beizutragen. (2) Der integrative Blick kann Ansatzpunkte für Strategien zur Leistungsverbesserung aufzeigen. Lücken und ungewollte Doppelungen lassen sich erkennen. Neue Kooperationschancen können sich ergeben: Wenn Heilberufsangehörige z.B. die Angebote der Gesundheitsförderung kompetent überblicken, dürfte Individualberatung profitieren; komplexe Aufgaben einer Mitwirkung an (Stadt)Planung werden besser lösbar, wenn qualifizierte (institutionelle) Kompetenz aus dem „Gesamtangebot“ rasch hinzugezogen werden kann; die Potenziale intersektoraler Kooperation – z.B. Bildung und Gesundheit – treten klarer zutage. (3) Durch die Blickfelderweiterung entstehen neue Möglichkeiten der Priorisierung, z.B. in Richtung auf Zukunftsfähigkeit, und der Steuerung, z.B. in kontraproduktiven Konkurrenzsituationen. Die Erstellung eines Fachplans Gesundheit wird durch den integrativen Blick von Stadtgesundheit begünstigt. (4) Eine Gesamtschau ist geeignete Grundlage für eine über die Teilsysteme hinausgehende Evaluation und Qualitätssicherung sowie darauf gründende Verbesserungsansätze. – Auf welche Weise lässt sich solche Blickfelderweiterung erreichen? Hier kommen Top-down-Ansätze infrage, also Motivation und Unterstützung durch die administrative und politische Leitung, wie auch Bottom-up-Ansätze, z.B. indem Praxis-Akteure sich die Nahtstellen ihrer Aktionsfelder ins Bewusstsein rufen und neue Bausteine zusammenfügen. Ohne ihr methodisches Repertoire erweitern zu müssen kann die Gesundheitsberichterstattung eine zentrale Rolle für die Blickfelderweiterung übernehmen und breit angelegte Diskussionsprozesse unterstützen.

Schlussfolgerung: Eine Blickfelderweiterung als umfassende „Gesamtschau“ auf StadtGesundheit ist sinnvoll und geradezu unumgänglich. Referenzen beim Verfasser.