Gesundheitswesen 2016; 78 - A74
DOI: 10.1055/s-0036-1586584

Review zur genderspezifischen Gesundheitsförderung für häuslich pflegende Angehörige von dementiell Erkrankten, Wien 2015

C Gradwohl 1, FM Amort 1
  • 1FH JOANNEUM University of Applied Sciences, Bad Gleichenberg

Hintergrund: Im Jahr 2013 wurden 451.159 PflegegeldbezieherInnen in Österreich verzeichnet. Achtzig Prozent davon werden häuslich von Familienmitgliedern oder nahestehenden Personen, hauptsächlich Frauen (79%) betreut. Ohne der hohen Bereitschaft von informell Pflegenden, wäre es nicht möglich den stetig steigenden Pflegebedarf, vor allem dementiell erkrankter Personen, zu decken. Um die Pflegesituation auch in Zukunft zu sichern, hat die Gesundheitsförderung für häuslich pflegende Angehörige, welche enormen physischen, psychischen, sozialen, wie finanziellen Belastungen ausgesetzt sind, eine hohe Priorität.

Ziel: dieser Arbeit ist die Analyse vorhandener Evidenz zur Gesundheitsförderung pflegender Angehöriger, um daraus Empfehlungen unter Berücksichtigung der Genderperspektive für den Raum Wien abzuleiten.

Methode: Selektive, semi-systematische Literatursuche auf Basis vorab festgelegter Suchbegriffe und definierter Inklusions- und Exklusionskriterien. Literatur deutscher und englischer Sprache, veröffentlicht im Zeitraum 2000 bis 2015 wurde nach entsprechender Evidenzbewertung in die Arbeit integriert.

Ergebnisse: Von insgesamt 441 Referenzen aus den Datenbanken Science Direct und PubMed wurden 19 den Inklusionskriterien entsprechenden Volltexte analysiert, wobei 8 Artikel Informationen zur Beantwortung der Forschungsfrage lieferten. 11 Artikel wurden in Bezug auf die Forschungsfrage als nicht relevante Volltexte identifiziert und daher exkludiert.

Es konnten 24 Risikofaktoren für die Gesundheit pflegender Angehöriger identifiziert werden: Dabei führen Informationsmangel, Überforderung mit der Situation und dem Treffen von Entscheidungen, soziale Isolation und die Einschränkung persönlicher Freiräume aufgrund zeitlicher Ressourcenknappheit, sowie der oftmalige Rollenwechsel in Beziehungen zu erhöhtem Stress, Angst und Depression und in weiterer Folge zu erhöhtem Mortalitätsrisiko.

Die Auswahl von Coping-Strategien variiert in Abhängigkeit des Geschlechts. Weibliche Pflegepersonen wenden neben der Inanspruchnahme sozialer Dienste vermehrt emotionszentrierte Strategien an (z.B. Verwünschen der Situation, Verleugnen). Diese sind Studien zufolge weniger effizient als problemzentrierte Strategien (z.B. Problemanalyse, Akzeptanz).

Es wurden 28 unterschiedliche Angebote für pflegende Angehörige identifiziert: Mit dem Angebot der psychosozialen Angehörigenberatung, des Demenztelefons, Selbsthilfegruppen, Schulungen, Themenvorträge, Internetplattformen zum Austausch und zur Informationsbeschaffung besteht innerhalb des Raum Wiens eine Vielzahl an Entlastungsmöglichkeiten für pflegende Angehörige. Trotz identifizierter genderspezifischer Unterschiede bzgl. dem Empfinden und Umgang mit Belastungen sind lediglich 8/28 (28,6%) der Angebote genderspezifisch ausgerichtet.

Diskussion: Für bestehende, gesundheitsfördernde Angebote sind eine adäquate, genderspezifische Adaption, sowie die Ausweitung der Öffentlichkeitsarbeit zur Minimierung vorhandener Informationsdefizite, empfehlenswert.