Gesundheitswesen 2016; 78 - A45
DOI: 10.1055/s-0036-1586555

Der Einfluss des Sozialraums auf das Gesamtüberleben bei akuter myeloischer Leukämie

A Kaifie 1, 2, T Lunau 3, N Dragano 3, E Jost 2, T Kraus 1, TH Brümmendorf 2, S Wilop 2, M Crysandt 2
  • 1Institut für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin, Medizinische Fakultät, Uniklinikum RWTH Aachen, Aachen
  • 2Klinik für Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie und SZT, Medizinische Fakultät, Universitätsklinik RWTH Aachen, Aachen
  • 3Center for Health and Society, Institut für Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät, Universität Düsseldorf, Düsseldorf

Hintergrund: Soziale Faktoren haben einen erheblichen Einfluss auf das Therapieansprechen bei vielen Tumorerkrankungen. Für die akute myeloische Leukämie (AML) existieren dazu nur wenige Studien mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen.

Fragestellung: Ziel dieser Analyse war es, den Einfluss des Sozialraumes auf das Gesamtüberleben und das Therapieansprechen bei Patienten mit AML zu erfassen.

Studiendesign: Es handelt sich um eine retrospektive Analyse von AML-Patienten (n = 135), die am Uniklinikum Aachen behandelt wurden und in der Stadt Aachen lebten. Mithilfe der Indikatoren des Sozialberichtes der Stadt Aachen wurde das Studiengebiet in zwei Sozialräume unterteilt (nicht-benachteiligt vs. benachteiligt). Im ersten Schritt wurde getestet, ob es Sozialraum-Unterschiede in der Verteilung von Risikofaktoren (Alter, sekundäre AML, zytogenetische Risikogruppe) gibt. Für die Analyse des Gesamtüberlebens wurden Kaplan-Meier-Schätzer und der Log-Rank-Test genutzt.

Ergebnisse: In der Verteilung der Risikofaktoren ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Sozialräumen. Im Gesamtüberleben zeigten Patienten, die in kurativer Intention behandelt wurden und aus dem nicht-benachteiligten Sozialraum stammen mit 28,8 Monaten im Median ein signifikant längeres Überleben als die Patienten aus dem benachteiligten Sozialraum mit 15,9 Monaten (p = 0,02). Zusätzlich erreichten die in kurativer Intention behandelten Patienten aus dem nicht-benachteiligtem Sozialraum signifikant häufiger eine dauerhafte komplette Remission (p = 0,01).

Diskussion: Auch bei der akuten myeloischen Leukämie hat der Sozialraum einen signifikanten Einfluss auf das Therapieansprechen und Überleben der Patienten. In unserer Analyse wurde dieser Einfluss vor allem bei Patienten, die in kurativer Intention behandelt wurden, deutlich. Ursächlich hierfür könnten gesundheitsschädigendes Verhalten (z.B. Rauchen), Adhärenzprobleme aber auch biologische Faktoren, wie epigenetische Veränderungen, sein. Damit stützt unsere Analyse Daten aus anderen Gesundheitssystemen, die ebenfalls einen Einfluss sozialer Faktoren auf das Gesamtüberleben bei AML feststellen konnten [1 – 3].

Schlussfolgerung: Zusätzliche prospektive Untersuchungen sind notwendig um unsere Analyse zu stützen und die Gründe für diese unbefriedigende Situation zu finden. Referenzen beim Verfasser.