Gesundheitswesen 2016; 78 - A42
DOI: 10.1055/s-0036-1586552

Präventionsnetzwerke – wer wird erreicht und wer macht mit?

S Wahl 1, K Müller 1, N Dragano 1, S Weyers 1
  • 1Center for Health and Society, Institut für Medizinische Soziologie, Medizinische Fakultät, Universität Düsseldorf, Düsseldorf

Hintergrund: Gesundheitliche Ungleichheiten in der Kindergesundheit sind für Deutschland belegt. Zu deren Verringerung werden kommunale lebenslaufbezogene Präventionsnetzwerke implementiert. Die Verknüpfung von Akteuren der Prävention und Gesundheitsförderung soll dabei die Teilnahme von Familien mit Präventionsbedarf (niedrige Bildung oder Zuwanderungshintergrund) an Angeboten des Präventionsnetzwerkes erhöhen. Ziel des Beitrages ist, zu untersuchen, inwiefern Familien mit Bedarf durch die Netzwerke erreicht und zur Teilnahme gewonnen werden.

Methoden: In einer rheinischen Kommune, die 2006 ein lebenslaufbezogenes Präventionsnetzwerk einführte, wurde die Schuleingangsuntersuchung 2013/14 für die retrospektive standardisierte Befragung der Schulneulingseltern genutzt. Der schriftliche Fragebogen umfasste Fragen zu Bekanntheit und Inanspruchnahme von Präventionsangeboten bis Schuleingang, zu Informationsquellen sowie soziodemografischen Merkmalen. Zusätzlich wurden in separaten Diskussionsgruppen Eltern (n = 5) und Fachkräfte (n = 15) gebeten, Angebote des und Zugänge zum Präventionsnetzwerk(es) zu bewerten.

Ergebnisse: Von 560 angesprochenen Schulneulingseltern nahmen 297 (53%) an der Studie teil. Hiervon hatten 13% eine niedrige Bildung und 34% einen Zuwanderungshintergrund.

Verhaltenspräventive Angebote (Sprachförderung für Migranten 10%; Bindungstraining für Alleinerziehende 19%) waren am wenigsten bekannt. Das bei einem Hausbesuch übergebene Babybegrüßungspaket kannten 85% der Eltern. Über den Großteil der Angebote wurden die Eltern durch professionelle Akteure informiert.

Familien mit niedriger Bildung nahmen häufiger an strukturellen Angeboten teil als Familien mit höherer Bildung (z.B. Screening in der Kita (81 vs. 60%), Familienpass (21 vs. 17%)). Familien mit Zuwanderungshintergrund nutzten neben strukturellen Angeboten auch verhaltenspräventive Angebote wie Krabbelclubs (23 vs. 15%) und Ernährungs-Bewegungs-Training (5 vs. 2%) häufiger als Familien ohne Zuwanderungshintergrund.

In den Diskussionsgruppen wurde der Hausbesuch mit dem Babybegrüßungspaket gut bewertet und für weitere Lebensphasen gewünscht. Auch Kindertagesstätten wurden als tragfähiger Zugang zu den Eltern bewertet. Bei der konkreten Planung der Angebote erleichtern Aspekte wie Wohnortnähe, flexible Termingestaltung, Kinderbetreuung und niedrige Kosten die Teilnahme der Familien.

Diskussion: Da professionelle Akteure über viele Angebote informieren, scheint der professionelle Informationsfluss zu funktionieren. Die Bekanntheit der Präventionsangebote ist jedoch ausbaufähig. Ebenfalls ist die Präventionsnutzung von Familien mit Bedarf verbesserungswürdig (Präventionsdilemma). Diese nutzen strukturelle Angebote häufiger und Angebote mit Komm-Struktur seltener.

Praxisrelevanz Die zielgruppenspezifische Ansprache sollte weiter ausgebaut werden. Strukturelle bzw. verhältnispräventive Maßnahmen sollten gestärkt werden. In einem Präventionsnetzwerk sind der Hausbesuch mit dem Babybegrüßungspaket als auch die Kindertagesstätte wichtige Zugänge.