Hintergrund und Fragestellung: Über die Digitalisierung von Arbeit und ihre potenziellen Auswirkungen auf die Gesundheit
der Beschäftigten liegen derzeit unterschiedliche Kenntnisse vor: Generell ist zu
vermuten, dass der allgemeine Trend zur Verstärkung der psychosozialen Belastungen
(Georg u.a. 2015) zunehmen wird. Inwiefern die Zukunftsvision Industrie 4.0 eine Veränderung
in den Belastungskonstellationen hervorbringt, aber auch neue Gestaltungspotenziale
für gesundheitsförderliche Arbeit birgt, wird in dem BMBF-Verbundprojekt „Prävention
4.0“ untersucht.
Studiendesign: Es wird untersucht, wie sich Betriebe hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitsorganisation,
der Beteiligung oder des Gesundheitsschutzes unterscheiden, welche Arbeitsbedingungen
bei Werkern verschiedener Fachebenen und Management zu beobachten sind und welche
arbeits- und gesundheitspolitischen Flankierungen erforderlich werden können. Auch
gilt es, Arbeitsschutz, Prävention und Betriebliche Gesundheitsförderung in Konzepte
permanenten Organisationswandels zu integrieren. Da die Digitalisierungsprozesse in
den Unternehmen noch in den Anfängen stehen, erfolgt der Zugang über 20 qualitative
Experteninterviews mit betrieblichen und wissenschaftlichen Akteuren.
Ergebnisse: Erste Ergebnisse zeigen sowohl Potenziale als auch Risiken der neuen Arbeitsformen
und verdeutlichen die Relevanz gestalterischer Maßnahmen von Beginn an. Dem Gewinn,
negative einseitige Körperhaltungen o.ä. zu vermeiden, steht die Entgrenzung der Arbeit
gegenüber. Im Umgang mit zunehmender Flexibilität, Beschleunigung, Komplexität und
im Ineinanderfließen von Virtualität und Realität sind partizipative Ansätze gefragt,
die die Erfahrungen der Beschäftigten mit digitalisierten Arbeitsprozessen strukturell
erschließen und für eine gesundheitsförderliche Arbeitsgestaltung nutzen. Kompetenzentwicklung
im Arbeitsprozess in lernförderlichen Arbeitsumgebungen erfährt eine wachsende Bedeutung
und erfordert neue Ansätze, um Erfahrungswissen sichtbar, nutzbar und übertragbar
zu machen.
Fazit: Multitasking, hohe Beanspruchungen infolge komplexer Arbeiten bis hin zum Burn-out
oder depressiven Erkrankung sind mögliche negative Folgen vernachlässigter Gestaltung
der Arbeit 4.0. Die „multiple Überlastung“, die permanente Verfügbarkeit, versteckte
Leistungsverdichtung und starker Termin- und Leistungsdruck (Hammermann/Stettes 2015)
erfordern ein Arbeits- und Gesundheitsschutzmanagement, das kontinuierliche Strukturen
aufbaut, regelmäßige Risikoermittlung psychosozialer Belastungen vornimmt und Beschäftigte
als Experten ihrer eigenen Gesundheit respektiert. Durch die systematische Verknüpfung
von Personal-, Organisations- und Kompetenzentwicklung werden Unternehmen und Beschäftigte
dazu befähigt, Innovationsprozesse in der Arbeitswelt 4.0 als „Ensembleleistung“ dauerhaft
erfolgreich zu gestalten. Referenzen beim Verfasser.