Einleitung: Multimedikation ist im höheren Alter eine verbreitete Erscheinung, da mit dem zunehmenden
Anteil von Personen mit Ko- und Multimorbidität im Alter auch die Anzahl der medikamentösen
Therapien steigt. Mit der Anzahl der Medikamente steigt aber auch die Gefahr unerwünschter
Nebenwirkungen und Arzneimittelinteraktionen, die die Gesundheit gefährden und zum
Beispiel zu Stürzen beitragen können. Ab einer gleichzeitigen Einnahme von 5 und mehr
Medikamenten pro Tag lassen sich unerwünschte Arzneimittelwirkungen nicht mehr zuverlässig
vermeiden.
Fragestellung: Der Beitrag untersucht Einflussfaktoren für das Auftreten einer Multimedikation bei
40- bis 85-Jährigen.
Methoden: Für die Untersuchung wurden Daten des Deutschen Alterssurveys (DEAS) mit etwa 6.000
Befragten analysiert. In die Analyse einbezogen wurden soziodemographische Variablen
(Alter, Geschlecht, Bildung), eine Variable zu chronischen Krankheiten sowie eine
Variable zur Ärztedichte im Kreis. Die Daten wurden mit einem logistischen Regressionsmodell
analysiert, dessen abhängige Variable das Auftreten von Multimedikation (Einnahme
von 5 und mehr Medikamenten pro Tag) war.
Ergebnisse: 70- bis 85-Jährige haben ein erhöhtes Risiko der Multimedikation im Vergleich zu
40- bis 54-Jährigen (OR: 6,32, p < 0,01). Männer sind etwas öfter von Multimedikation
betroffen als Frauen (OR: 1,42, p < 0,01). Ein niedriger Bildungsgrad erhöht das Risiko
von Multimedikation im Vergleich zu hoher Bildung (OR: 2,24, p < 0,01). Personen mit
mehreren chronischen Krankheiten haben ein deutlich erhöhtes Risiko, 5 oder mehr Medikamente
einzunehmen im Vergleich zu Personen ohne chronische Krankheiten (OR: 16,38, p < 0,01).
Das Risiko ist auch für Personen mit nur einer chronischen Krankheit erhöht (OR: 5,08,
p < 0,01). In das Modell einbezogen wurden auch Kreisdaten der Zahl der Ärzte je 100.000
Einwohner. Es zeigt sich, dass in Kreisen mit einer geringen Ärztedichte das Risiko
für Multimedikation etwas höher ist als in Kreisen mit hoher Ärztedichte (OR: 1,39,
p < 0,01).
Diskussion: Multimedikation ist ein ernstzunehmender Gesundheitsfaktor im höheren Alter. Sie
tritt besonders häufig bei Personengruppen auf, deren Gesundheit ohnehin gefährdet
ist: Hochaltrige, niedrig Gebildete, mehrfach chronisch Erkrankte. Die medikamentöse
Therapie dieser Personengruppen sollte besonders sorgfältig abgestimmt werden. Auch
eine geringe Ärztedichte im Kreis erhöht das Risiko für Multimedikationen. Regionale
medizinische Versorgungsunterschiede sind auch aus diesem Grund weitergehend zu untersuchen.