Gesundheitswesen 2016; 78 - A20
DOI: 10.1055/s-0036-1586530

Evaluation eines schulbasierten Gruppenprogramms zur Prävention sexualisierter Gewalt in der Primarstufe (IGEL)

E Finne 1, J Alfes 1, P Kolip 1
  • 1Universität Bielefeld, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Bielefeld

Hintergrund: Sexualisierte Gewalt gegen Kinder hat massive negative Folgen für die Betroffenen. Im Rahmen eines Förderprogramms des BMBFs zur Prävention sexualisierter Gewalt in pädagogischen Kontexten wurde ein schulbasiertes Programm zur Prävention sexualisierter Gewalt in der Primarstufe (IGEL-Programm) entwickelt und evaluiert. Das Programm umfasst die Schulung von Lehrkräften, die das manualisierte Programm im Unterricht selbst durchführen.

Fragestellung: Ziel der Evaluation war die Untersuchung der Wirksamkeit (quantitative Ergebnisevaluation) und Umsetzbarkeit des IGEL-Programms unter alltagspraktischen Bedingungen in der Grundschule (qualitative Prozessevaluation) sowie die Ableitung von Empfehlungen für die Gestaltung schulbasierter Präventionsmaßnahmen.

Studiendesign: Im Rahmen der Ergebnisevaluation wurden Drittklässler/-innen aus acht Interventions- und vier Kontrollschulen sowie ihre Eltern zu drei Zeitpunkten mit standardisierten Fragebögen befragt. Die das Programm durchführenden Lehrkräfte wurden für die Prozessevaluation mittels kurzer Dokumentationsbögen und qualitativer Interviews befragt.

Ergebnisse: Bis drei Monate nach Programmende zeigen sich signifikant positive Effekte des IGEL-Programms auf Wissen und Handlungsoptionen der teilnehmenden Kinder (Effektgrößen für den Vergleich von Interventions- und Kontrollgruppe: d = 0,41 – 0,69), ohne dass sich ungünstige Auswirkungen auf Ängstlichkeit oder generelle Abneigung gegenüber Berührungen feststellen lassen. Die Prozessevaluation ergab, dass sich das Programm unter alltagspraktischen Bedingungen überwiegend planmäßig umsetzen lässt und bei den Lehrkräften und Kindern auf große Akzeptanz stößt. Positiv hervorgehoben wurden v.a. seine Flexibilität und die sorgfältige Ausarbeitung der einzelnen Unterrichtsstunden und Praxismaterialien. Verbesserungspotenzial wird u.a. in der Einbindung der Eltern, der Ausrichtung auf Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf sowie der Sicherung nachhaltiger Programmeffekte gesehen.

Fazit: Mit dem IGEL-Programm liegt ein praktikables und zumindest kurz- bis mittelfristig erfolgreiches Programm vor.

Schlussfolgerung und Praxisrelevanz: Als zentrale Empfehlungen für die Gestaltung schulbasierter Präventionsprogramme wurden neben der Flexibilität und sorgfältigen Ausarbeitung der Programme sowie der Berücksichtigung der unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Schüler/-innen auch die Einbeziehung der Eltern sowie eines möglichst großen Teils des schulischen Personals, die Verknüpfung mit themenverwandten Unterrichtsreihen (wie dem Sexualkundeunterricht) sowie eine ausreichende Qualifizierung und angemessene Begleitung und Unterstützung der implementierenden Lehrkräfte über die Einführungsphase hinaus abgeleitet.