Gesundheitswesen 2016; 78 - A1
DOI: 10.1055/s-0036-1586511

Gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen in 2015 – Evaluation einer Ambulanz für Flüchtlinge in einer Kölner Notunterkunft

HS Borgschulte 1, GA Wiesmüller 2, F Neuhann 2
  • 1Universität zu Köln, Köln
  • 2Gesundheitsamt der Stadt Köln, Köln

Hintergrund: Vor dem Hintergrund steigender Flüchtlingszahlen richtete die Stadt Köln zusammen mit dem DRK und der niedergelassenen Ärzteschaft in der größten Notunterkunft eine Ambulanz in Containerbauweise ein. Seit Januar 2015 fand zweimal wöchentlich eine Sprechstunde für Erwachsene und Kinder statt, organisiert von angestellten Krankenschwestern und besetzt durch niedergelassene Ärztinnen/Ärzte.

Ziel der Fragestellung: Die Gruppe der Flüchtlinge und Asylbewerber stellt bei Daten zur medizinischen Versorgung eine unterrepräsentierte Gruppe dar1. Neben der Erfassung der Behandlungsdaten sind eine Bewertung der bisherigen Strukturen sowie eine möglicherweise anschließende Anpassung im Modell Herkulesstraße vorgesehen. Unter Umständen ergeben sich aus den zusammengeführten Erfahrungen Standards für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften in Köln.

Methodik: Besuchsdaten und Beschwerden der Patienten wurden aus der ärztlichen Dokumentation erfasst und nach ICPC codiert. Ergänzend fand eine Präsenz-Beobachtung statt zur Erfassung von Strukturen und Abläufen. Die demographischen Daten der Nutzer wurden mit der Bewohnerstruktur der Notunterkunft verglichen. Teilnehmende Akteure wurden in einem schriftlichen Fragebogen und anschließenden standardisierten Interviews befragt.

Ergebnisse: Erfasst wurden 961 Besuche in der Kinder- und Erwachsenensprechstunde bei einem Männeranteil von 55%. Anlass waren zumeist akute körperliche Beschwerden (65% bei Erwachsenen, 83% bei Kindern), am häufigsten des Respirationstraktes, gefolgt von Beschwerden des Bewegungsapparates, des Kreislaufsystems, des Verdauungssystems und der Haut. Kopfschmerzen, Rücken- und Nackenschmerzen sowie akute Infekte der oberen Atemwege werden dabei am häufigsten genannt. Die Inanspruchnahme entspricht der ethnischen Herkunft der Bewohner der Einrichtung. Im Vergleich zur Struktur der Flüchtlingsbevölkerung in Köln resultiert eine Überrepräsentation durch Flüchtlinge aus den Ländern des Westbalkans, die mehrheitlich in der Einrichtung untergebracht waren.

Die Einschätzung einer psychischen Symptomatik als Besuchsanlass in der Befragung liegt über dem Anteil der tatsächlich gestellten Diagnosen dieser Kategorie.

Diskussion: Ein möglicher Zusammenhang zwischen Schmerzsymptomen und besonderen Belastungen oder einem anderen Krankheitsverständnis liegt nahe, woraus sich eine Adaptation in der medizinische Versorgung von Flüchtlingen empfiehlt.

Schlussfolgerungen: Das Angebot der Sprechstunde wurde gut angenommen. Die Zusammenarbeit zwischen Träger, niedergelassenen Ärzten und ÖGD funktionierte. Die Beschwerden der Flüchtlinge sind vergleichbar mit Besuchsanlässen der Allgemeinbevölkerung, wobei die medizinische Versorgung durch Schwierigkeiten im Sprach-, Gesundheits- und Krankenverständnis und die besondere Belastung dieser Gruppe durch Flucht und Migration erschwert wird. Referenzen beim Verfasser.