Zeitschrift für Phytotherapie 2016; 37 - V23
DOI: 10.1055/s-0036-1584448

Adenosinrezeptoren – neue Targets für Phytopharmaka

K Nieber 1
  • 1Universität Leipzig, Institut für Pharmazie

Das endogene Nukleosid Adenosin ist ein wichtiges extrazelluläres Signalmolekül, das seine vielfältigen biologischen Wirkungen über spezifische G-Protein-gekoppelte Zelloberflächenrezeptoren vermittelt. Bisher sind 4 Rezeptorsubtypen (A1-, A2A-, A2B-, A3-Rezeptoren) im Zentralnervensystem und in peripheren Geweben nachgewiesen. Für alle Rezeptoren gibt es Agonisten und Antagonisten, die als pharmakologische Werkzeuge genutzt werden, um die Funktionen der Rezeptoren zu studieren.

Neurotransmitter wie GABA oder Serotonin und das Signalmolekül Adenosin spielen im Schlafgeschehen eine wichtige Rolle. Breite Akzeptanz findet die Annahme, dass Koffein antagonistisch zur Wirkung des Adenosins agiert. Koffein ähnelt in seiner chemischen Struktur dem Adenosin. Es entfaltet seine anregende Wirkung, indem es hauptsächlich die A1-Rezeptoren besetzt. Damit verhindert es den Zutritt von Adenosin zum Rezeptor und schwächt so dessen hemmende Wirkung auf Neurone ab. Auch an der schlafanstoßenden Wirkung von Baldrian sind Adenosinrezeptoren beteilig. So wurde in Radioligand-Rezeptor-Bindungs-Studien die Bindung eines methanolischen Baldrianextrakts an den A1-Rezeptor zeigt. Die agonistische Wirkung am A1-Rezeptor wurde durch elektrophysiologische Untersuchungen an Pyramidenzellen in akuten Hirnschnittpräparaten von Ratten bestätigt. Ergebnisse einer Studie, in der die Wirkung eines Baldrian-Hopfen-Extrakts an 48 Probanden untersucht wurde, unterstützen diesen Befund.

Während im Zentralnervensystem bisher Interaktionen von pflanzlichen Phytopharmaka mit A1-Rezeptoren untersucht wurden, scheinen A2A-Rezeptoren bei Entzündungsprozessen am Darm wichtige Funktionen zu haben. Wir konnten an einem In-vitro-Modell zeigen, dass der A2A-Agonist CGS 21680 die funktionellen und strukturellen Veränderungen durch die Entzündung teilweise kompensiert. Weitere Untersuchungen bestätigen, dass das Phytopharmkon STW 5 an A2A-Rezeptoren bindet und dadurch die Genexpression und Freisetzung des proinflammatorischen Zytokins TNF-α hemmt. Die Beteiligung des A2A-Rezeptors wurde bestätig, da in Gegenwart des A2A-Antagonisten CSC die protektive Wirkung von STW 5 auf die geschädigte Motilität nicht nachweisbar war. Die Untersuchungen sprechen dafür, dass die Aktivierung von A2A-Rezeptoren durch STW 5 ein neuer, möglicherweise therapeutisch relevanter Wirkmechanismus zur Vermeidung morphologischer Schäden und zur Wiederherstellung der gestörten Motilität bei entzündlichen Darmerkrankungen ist.

Die dargestellten Untersuchungen sind Beispiele dafür, dass Interaktionen mit Adenosinrezeptoren für den Wirkungsmechanismus von Phytopharmaka bedeutungsvoll sein können. Die Kenntnis zu diesen Interaktionen kann zur Aufklärung der Multi-Target-Wirkung von Phytopharmaka beitragen.