Zeitschrift für Phytotherapie 2016; 37 - V08
DOI: 10.1055/s-0036-1584433

Head-to-Head-Studien für die versorgungsnahe klinische Forschung – Eignung zur Verbesserung der Evidenz von Phytopharmaka?

W Lehmacher 1
  • 1Institut für Medizinische Statistik, Epidemiologie und Informatik der Universität zu Köln, Köln, Deutschland

Head-to-Head-Studien (direkte Vergleichsstudien) können einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der praktischen Versorgung liefern. Die Zulassung von Medikamenten stellt nur eine Wirkung und Sicherheit unter Idealbedingungen (Efficacy) fest, oft nur belegt durch placebokontrollierte Studien in hoch selektionierten Populationen. Um nach der Zulassung von Medikamenten eine optimale Versorgung der Patienten zu gewährleisten, muss aus mehreren verfügbaren Optionen die beste Therapie ausgewählt werden. Comparative Effectiveness Research untersucht durch Vergleich zugelassener Pharmaka diejenigen mit der besten Wirksamkeit unter Alltagsbedingungen (Effectiveness) zu ermitteln. Den Goldstandard für den Wirksamkeitsvergleich bilden randomisierte Head-to-Head-Studien, die als „pragmatic Trials“ alternative Verfahren in breiten, repräsentativen und wenig selektionierten Kollektiven direkt miteinander vergleichen und einen patientenrelevanten Unterschied (Zusatznutzen) auffinden können. Diese Studien schaffen eine evidenzbasierte Grundlage für die Wahl oder den Ausschluss einer Therapie, was eine Verbesserung der medizinischen und wirtschaftlichen Qualität der Versorgung impliziert; sie können relevante Subgruppen oder Komedikationen berücksichtigen. Head-to-Head-Studien haben auch eine hohe Akzeptanz bei den Studienpatienten, da keine Gruppe eine a priori schlechtere Alternative oder etwa ein Placebo bekommt. Dabei können in diesen Studien hohe methodische Vorgaben hinsichtlich der Qualität der Planung, Durchführung und Auswertung eingehalten werden. Phytopharmaka stehen sowohl in Konkurrenz zu chemisch definierten Produkten als auch untereinander; auch sie müssen nach der Zulassung zur Verbesserung der Evidenz nicht nur zeigen, ob sie wirken (Efficacy), sondern auch wie sie relativ zu anderen Therapien (Efficiency) unter heutigen, realen Bedingungen wirken. Da versorgungsrelevante Vergleichsstudien oft aufwendig sind und der Verbesserung der öffentlichen Versorgung dienen, muss deren Finanzierung neben Industrieunterstützung auch über öffentliche Förderung durch die Erstattungsinstitutionen oder Wissenschaftsorganisationen erfolgen.

[1] Eichler HG et al. Nature Rev Drug Discov 2010; 9: 277 – 291

[2] Sullivan F et al. Br Med J 2007; 334: 1093 – 1094

[3] Lehmacher W. Auswirkungen der Personalisierten Medizin auf die klinische Forschung – Wie sieht die Statistik der Zukunft aus? In: Liederschlag W et al. Hrsg. Personalisierte Medizin & Informationstechnologie. Health Academy, 2010

[4] Lehmacher W, Wolff S. Z Evid Fortbild Qual Gesundh wesen (ZEFQ) 2011; 105: 639 – 645

[5] Witt CM et al. Dtsch Arztebl 2011; 108: 2468 – 2474

[6] Zwarenstein M et al. BMJ 2008; 337: a2390