Pneumologie 2016; 70 - A2
DOI: 10.1055/s-0036-1584378

Luftschadstoffe und Lungenerkrankungen – experimentelle Evidenz

T Stöger 1
  • 1Comprehensive Pneumology Center, Institute of Lung Biology and Disease (iLBD), Helmholtz Zentrum München

Zahlreiche epidemiologische Studien stellen einen Zusammenhang zwischen der Luftschadstoffkonzentration, insbesondere von Stickstoffdioxid, Ozon und Feinstaubpartikeln, und einem gehäuften Auftreten von respiratorischen Komplikationen sowie der kardiopulmonalen Mortalität dar. Für die durch ihren Radikalcharakter stark oxidativ wirkenden Schadstoffgase, Stickstoffdioxid und Ozon konnte dazu eine Reizung und Schädigung der Atemwegsepithelien bei entsprechend hohen Umgebungsluftkonzentrationen experimentell gezeigt werden. Auf zellulärer Ebene bewirkt jedoch schon die Inhalation im Dosisbereich der Grenzwerte oxidativen Stress mit der daraus resultierenden inflammatorischen Stimulation des Gewebes. Entsprechend wurden in Tierstudien bei Belastung über wenige Wochen bereits Gewebeschädigungen und auch emphysematöse Veränderungen beobachtet. Für die partikuläre Komponente der Luftverschmutzung, den Fein- und Grobstaub, sind die Mechanismen eventuell assoziierter Pathologien weniger offensichtlich. Ein wichtiger Parameter ist hier die sogenannte aerodynamische Partikelgröße des inhalierten Aerosols, deponieren doch Partikel um die 3 µm oder kleiner 100nm besonders effektiv im empfindlichen Alveolarbereich der Lunge, welcher der mukoziliären Clearance unseres Organismus nicht zugänglich ist. Weiter scheinen sich Nano- im Gegensatz zu Mikropartikeln der Phagozytose durch Alveolarmakrophagen zu entziehen, verweilen daher – wenn nicht bioabbaubar – länger auf dem respiratorischen Epithel und können sogar in dieses eindringen und bis in den Blutkreislauf translozieren. Durch Verbrennungsprozesse freigesetzte Feinstaubpartikel tragen mitunter zahlreiche toxische Verbindungen, wie z.B. polyzyklische Aromaten oder Metalloxide, und werden daher als gesundheitsbedenklich eingestuft, Dieselruß sogar als krebserregend. Aber selbst die Inhalation reiner Kohlenstoffpartikel, die chemisch als inert gelten, führt im Tierexperiment zu einer entzündlichen Stimulation der Alveolen. Toxikologische Studien zeigen, dass dabei die inflammatorische Potenz von schwach toxischen und unlöslichen inhalierten Feinstaubpartikeln primär von der exponierten Oberfläche der Partikel und weit weniger von der Masse bzw. der Volumenkonzentration als Dosisparameter abhängig ist. Der Oberfläche von kohlenstoffhaltigen Partikeln sind bei der Interaktion mit Zellen des Atemtrakts oxidative und radikalgenerierende Wirkungen zuzuschreiben, die bei hohen Dosen die antioxidative Homöostase stören, Entzündungsreaktionen auslösen und somit Entstehung und Fortschritt von entzündlichen Lungenerkrankungen nachteilig beeinflussen. Ein massenbasierter Grenzwert für partikuläre Luftschadstoffe läuft somit Gefahr die toxikologische Bedeutung der kleinen Partikel nicht ausreichend zu berücksichtigen.