Pneumologie 2016; 70 - E
DOI: 10.1055/s-0036-1584376

Editorial

P Reinhold 1, M Rosenbruch 2
  • 1Jena
  • 2Wuppertal

Die multifaktorielle Pathogenese respiratorischer Erkrankungen war das Schwerpunktthema des 19. Workshops des DVG-Arbeitskreises ‚Respiratorisches System‘, der am 2. März 2016 im Rahmen des 57. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. in Leipzig stattfand. In enger Kooperation mit den Sektionen ‚Pathophysiologie‘ und ‚Zellbiologie‘ der DGP wurden pathophysiologische Aspekte bei der Entstehung und Ausprägung von Lungen- und Atemwegserkrankungen interdisziplinär betrachtet.

Bezüglich des Faktors Umwelt standen Kausalitäten zwischen dem Vorkommen von Luftschadstoffen und Lungenerkrankungen im Mittelpunkt. Diesbezüglich wurden sowohl epidemiologische Zusammenhänge (H. Schulz, Neuherberg) wie auch die aus Modellen resultierende experimentelle Evidenz (T. Stöger, Neuherberg) kritisch beleuchtet. Welche entscheidende Weichenstellung mit dem Start ins Leben für die Lungengesundheit von Mensch und Tier erfolgt, erläuterte H. Proquitté (Jena). So beeinträchtigen peri- und postnatale Störgrößen nicht nur unmittelbar und direkt die Lungengesundheit der betroffenen Neugeborenen, sie bedingen darüber hinaus auch oft langfristige und/oder lebenslange Beeinträchtigungen der Lungenfunktion. Stress ist ein weiterer Faktor, der direkt und indirekt mit dem Auftreten von Infektionen bzw. der Exazerbation respiratorischer Erkrankungen assoziiert ist. Dass Stresshormone das Immunsystem des Wirtes supprimieren können, ist nicht neu. Dass die Konzentrationen von Katecholaminen im Blut des Wirtes jedoch auch unmittelbare Effekte auf Bakterien ausüben, die bereits als ‚silent carrier‘ im Wirt vorhanden sind, wurde sowohl für die Human- als auch für die Tiermedizin anhand verschiedener Interaktionen zwischen Mikrobiologie und Neurophysiologie veranschaulicht (P. Reinhold, Jena). Interessante Einblicke in viral-bakterielle Interaktionen bei Erkrankungen im Respirationstrakt verschiedener Wirtsspezies präsentierten C. Baums (Leipzig) und T. Vahlenkamp (Leipzig).

Wie immer bei den Workshops des Arbeitskreises wurde im Vortragsblock „Freie Themen“ ein breites Spektrum unterschiedlicher Forschungsaspekte und Fragestellungen präsentiert. Die Palette reichte von der Beeinflussung der experimentell induzierten Fibrose durch diätetische Zusätze (Albrecht et al., Düsseldorf) über die Darstellung eines neuen bildgebenden Verfahrens zum Nachweis der Lungenventilation (Seifert et al., Gießen) bis zur Modulation des allergischen Asthmas durch Nanopartikel im Mausmodell (Webering und Fehrenbach, Borstel). Veterinärmedizinische Forschungsthemen rankten sich um die Interaktionen zwischen Lungenfunktionsdiagnostik und Pathohistologie bei Schweinen mit respiratorischen Erkrankungen (Püllen et al. und Becker et al., Gießen) und um flüchtige organische Substanzen als Biomarker im caprinen Modell (Küntzel et al., Jena). Betrachtungen zum organisierten lymphatischen Gewebe in der Lunge von Rhesusaffen (Pabst et al., Hannover) rundeten den Komplex der freien Themen ab.

Neben dem Workshop am 2. März waren im Hauptprogramm des DGP-Kongresses drei Symposien platziert, in denen der DVG-Arbeitskreis ‚Respiratorisches System‘ als Mitorganisator fungierte:

  • Surfactant bei Mensch und Tier (Kooperation mit der Sektion ‚Zellbiologie‘, 03.03.2016)
    Dabei wurden nach einem interessanten Speziesüberblick sowohl die neu entdeckten Surfactant-Proteine dargestellt wie auch die Gegebenheiten der Surfactant-Therapie in der Human- und Veterinärmedizin präsentiert.

  • Der Mensch in Extremsituationen 2.0: Wir können noch viel mehr von den Tieren lernen! (Kooperation mit der Sektion ‚Pathophysiologie und Aerosolmedizin‘, 03.03.2016)
    Nach dem großen Erfolg der ersten Veranstaltung dieser Art im Vorjahr in Berlin wurden im spannenden ‚Cross-Talk‘ weitere verblüffende Leistungen der verschiedensten Spezies im Vergleich zum Homo sapiens betrachtet. Im Fokus des diesjährigen Symposiums standen: Anpassungen an extreme Hitze, extreme Kälte und extreme Immobilisation.

  • Pulmonale Zoonosen (Kooperation mit der Sektion ‚Infektiologie und Tuberkulose‘, 04.03.2016)
    Die Vielfalt und die Bedeutung der pulmonalen Zoonosen bakteriologischer, mykologischer sowie parasitologischer Genese kamen durch sehr interessante, vergleichende Vorträge zu den Themen Streptokokken, Chlamydien, Histoplasmen und Echinokokkosen sehr gut zum Ausdruck.

Zusammenfassend kann man nach den erfolgreichen Veranstaltungen auch in diesem Jahr feststellen, dass der Disziplinen- und Spezies-übergreifende Ansatz des Arbeitskreises zu einem kontinuierlichen, breit gefächerten Austausch über physiologische Gegebenheiten und/oder pathologische Prozesse des Respirationstraktes führt. Dieser Austausch ist für die beteiligten, teils sehr unterschiedlichen Berufsgruppen nicht nur überaus interessant und mit Erkenntnisgewinn verbunden, sondern enthält auch immer wieder einen starken Stimulus für interdisziplinäre Kooperationen. Die Aktivitäten des Arbeitskreises entsprechen damit auch dem „One-Health-Gedanken“, bei dem die Zusammenhänge gesundheitlicher Fragestellungen von Mensch, Tier und Umwelt im Vordergrund stehen.

Die Planungen des 20. Workshops des Arbeitskreises zum Schwerpunktthema ‚Mikrobiom des Respirationstraktes‘ haben bereits begonnen. Er wird am 22. März 2017 im Rahmen des 58. DGP-Kongresses in Stuttgart stattfinden.