Diabetologie und Stoffwechsel 2016; 11 - LB16
DOI: 10.1055/s-0036-1584110

Fetale Malnutrition bei postbariatrischer Hypoglykämie (PBH). Interdisziplinäres Management einer neuartigen Herausforderung

E Leventi 1, A Reitter 2, R Jung 1, K Stein 1, 3, E Fischer 1, K Rövenich 1, E Weitz 1, P Staikov 3, 4, K Rett 1, 3
  • 1Krankenhaus Sachsenhausen, Abteilung für Endokrinologie und Diabetologie, Frankfurt am Main, Germany
  • 2Krankenhaus Sachsenhausen, Abteilung für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Frankfurt, Germany
  • 3Deutsches Adipositaszentrum, Frankfurt, Germany
  • 4Krankenhaus Sachsenhausen, Abteilung für Chirurgie, Frankfurt, Germany

Die Prävalenz der postbariatrischen Hypoglykämie (PBH) wurde lange unterschätzt, dürfte aber bei 30% liegen. Wir berichten über die Konstellation einer Schwangerschaft bei PBH mit kindlicher Wachtumsretardierung.

Die 30-jährige Patientin erhielt 07/2014 bei einem BMI von 41,7 kg/m2 einen Magenbypass (RYGB). 02/2015 nach Abnahme von 56 kg wurde ein Dumping (Sigstad score 12) und mittels CGM (Dexcom G4) eine PBH mit reaktiven und nächtlichen Hypoglykämien diagnostiziert (Mediane Gewebeglukose 81 mg/dl, 178 min/d < 70 mg/dl) sowie ein massives Ernährungsfehlverhalten (fettreiche Kalorien-, Eiweiß- und Kohlenhydrat-Magelernährung: 1031 kcal, 82 g Kohlenhydrate).

Die PBH war durch Steigerung der Kohlenhydratzufuhr bei gleichzeitiger Disaccharidasenhemmung zunächst über 6 Monate beherrschbar. Dann wurde die Patientin (Z.n. Gestationsdiabetes 2012) schwanger. Nach Absetzen der Acarbose eskalierte die PBH. In der 31. Schwangerschaftswoche (SSW) erfolgte wegen nicht beherrschbarer Hypoglykämien und fetaler Malnutrition (Schätzgewicht 1.338 g; < 3. Perzentile [1]) eine bilanzierte hochkalorische Kombination aus oraler (1700 kcal/Tag; Resource Protein®) und parenteraler Ernährung über ZVK (1300 kcal/Tag; Smofkabiven®) unter kontinuierlicher Gewebeglukosemessung – ohne weitere Hypoglykämien. Entbindung in der 35. SSW per Sectio (Gewicht 2.170 g; knapp 50. Perzentile).

Für die langfristige Nutzen-/Risikobilanz der Adipositaschirurgie sind neben dem erzielbaren Gewichtsverlust die Operationsmortalität, operative Früh- und Spätkomplikationen, langfristige Ernährungsdefizite, erneute Gewichtszunahme, Wiederauftreten des Diabetes und RYGB-Folgesyndrome wie Dumping und PBH zu berücksichtigen. Wir berichten über einen Fall von fetaler Malnutrition bei PBH und dessen interdisziplinäres Management. Aus unserer Sicht ist bei PBH Patientinnen sichere Kontrazeption zu fordern bzw. eine zentrumsbasierte Betreuung vergleichbar der Gestationsdiabetesbetreuung zu gewährleisten.

Referenz: [1] Salomon LJ et al. Ultrasound Obstet Gynecol 2007;29:550 – 555.