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DOI: 10.1055/s-0036-1584028
Postvagotomie-Syndrom – Diagnose und Therapie der funktionellen Veränderungen am oberen Gastrointestinaltrakt anhand eines Fallbeispiels
Einleitung: Der Plexus oesophageus ist ein von beiden Nn. vagi gebildetes Nervengeflecht, das den thorakalen Ösophagus umgibt. Verletzungen der Speiseröhre oder Operationen wie Fundoplikationen können zu einer Läsion des Vagus und Beschwerden wie Völlegefühl, Hypoglykämien und Durchfall führen (Postvagotomie-Syndrom).
Anamnese: Ein 24-jähriger Mann wurde wegen rezidivierendem Völlegefühl, Schwindel, Heißhunger und Schweißausbrüchen 1 – 1,5 Stunden nach Nahrungsaufnahme vorstellig. Ein auswärts durchgeführter oraler Glukosetoleranztest zeigte eine überschießende Insulinsekretion mit anschließendem Blutzuckerabfall auf 41 mg/dl. Anamnestisch bestand ein Motorradunfall mit multiplen inneren Verletzungen (inkl. Ösophagusruptur) vor 6 Jahren.
Diagnostik: Ein Sham-Feeding Test bestätigte den Verdacht einer Vagusläsion: Der Patient erhielt dazu ein Standard-Frühstück (200 ml Kaffee, Zucker, 2 Semmeln, Butter, Marmelade), das er Kauen, jedoch nicht Schlucken durfte. Bei intaktem N. vagus wäre in den ersten 30 Minuten ein Anstieg des pankreatischen Polypeptids um mehr als 50% des Ausgangswertes zu erwarten; dieser fehlte jedoch beim Patienten.
Zur weiteren Objektivierung der Symptome wurde ein Dumping-Test mittels Standard-Frühstück durchgeführt. Dieser konnte den Verdacht eines Dumping-Syndroms nicht bestätigen. Ein zweiter Dumping-Test mittels Flüssignahrung (Fresubin® 200 ml) zeigte das Vorliegen Früh- und Spät-Dumping-spezifischer Befunde (Pulsanstieg 30 – 45 min. und Hypoglykämie 120 min. nach Nahrungsaufnahme).
Zeit [min] |
Standardfrühstück |
Flüssignahrung |
Flüssignahrung + Prucaloprid 2 mg |
|
0 |
Puls [Schläge/min] |
60 |
68 |
71 |
30 |
68 |
74 |
82 |
|
45 |
68 |
94 |
75 |
|
0 |
Glucose [mg/dl] |
77 |
94 |
92 |
45 |
105 |
164 |
106 |
|
120 |
114 |
50 |
111 |
Eine Magenentleerungsszintigrafie mit einer semisoliden Testmahlzeit (99 m-Tc-DTPA in Brei) zeigte eine frühzeitig beginnende Darstellung des Duodenums, in weiterer Folge jedoch eine verzögerte Entleerung des Tracers aus dem Magen mit Depotbildung im Antrum.
Interpretation: Die Unterbrechung der Vagusfasern zum Magen führt einerseits zu einer Störung der Fundusrelaxation, und daraus folgend, einer beschleunigten Flüssigkeitsentleerung. Andererseits kommt es zu einer Reduktion der kontraktilen Antrumaktivität, welche für die Zerkleinerung der festen Nahrung und deren Entleerung verantwortlich ist. Aus dem erhöhten Mageninnendruck resultieren ein frühes Völlegefühl sowie Dumping von flüssigen Nahrungsbestandteilen. Auf Basis der Pathophysiologie wurde der Patient ernährungstherapeutisch beraten und erhielt weiters Prucaloprid (Resolor® 2 mg 1 – 0 – 0). Durch Aktivierung der Antrumaktivität und Fundusrelaxation zeigte sich im erneut durchgeführten Dumping-Test eine Besserung der Dumping-spezifischen Befunde.