Aktuelle Ernährungsmedizin 2016; 41 - P05
DOI: 10.1055/s-0036-1583881

Anwendung der ESPEN-Kriterien zur Diagnose Mangelernährung bei Patienten mit chronischen Lebererkrankungen

S Marienfeld 1, Y Schmitt 2, J Bojunga 1
  • 1Medizinische Klinik 1, Schwerpunkt Ernährungsmedizin, Universitätsklinikum Frankfurt, Frankfurt, Deutschland
  • 2Institut für Ernährungsmedizin, Universität Hohenheim, Stuttgart, Deutschland

Fragestellung: Die European Society of Clinical Nutrition and Metabolism (ESPEN) hat Kriterien zur Diagnose Mangelernährung veröffentlicht. Bevor die Diagnose in Betracht gezogen werden kann, ist die Durchführung eines Risikoscreenings mittels eines validierten Instruments obligat. Liegt für Risiko-Patienten eine der folgenden Alternativen vor, so kann die Diagnose Mangelernährung erfolgen. Alternative 1: Body mass index (BMI) < 18,5 kg/m2. Alternative 2: unbeabsichtigter Gewichtsverlust > 10% über einen unbestimmten Zeitraum oder > 5% über 3 Monate und BMI < 20 kg/m2 (< 70 Jahre) bzw. < 22 kg/m2 (≥70 Jahre) oder fettfreie Masse Index (FFMI) < 15 kg/m2 (Frauen) bzw. < 17 kg/m2 (Männer). Ziel der Studie ist es, für Patienten mit chronischen Lebererkrankungen (CLD) den Ernährungsstatus zu erheben und die ESPEN-Kriterien zur Diagnose Mangelernährung zu überprüfen.

Methodik: Bei stationärer Aufnahme wird für alle Patienten das Nutritional Risk Screening (NRS) durchgeführt, Größe, Gewicht, Oberarmumfang, Trizepshautfaltendicke und Handmuskelkraft gemessen sowie eine bioelektrische Impedanzanalyse durchgeführt. BMI und FFMI werden berechnet. Anschließend werden für Patienten mit einem Risiko für Mangelernährung (NRS ≥3 Punkte) die ESPEN-Kriterien überprüft.

Ergebnis: In die Auswertung gehen Daten von 136 Patienten (65 Leberzirrhose, 71 CLD ohne Zirrhose) ein. Das Alter liegt im Median bei 59 Jahre (21 – 82 Jahre). Der BMI liegt bei 27,4 kg/m2 (15,2 – 45,5 kg/m2) und der FFMI bei 20,2 kg/m2 (10,9 – 36,1 kg/m2). Bei 56 Patienten (41%) bestehen Aszites bzw. Ödeme. Bei 49 Patienten (36%) liegt ein Risiko für Mangelernährung (NRS ≥3 Punkte) vor. Davon erfüllen 6 Patienten Alternative 1 der ESPEN-Kriterien und 5 Patienten Alternative 2 (Gewichtsverlust und niedriger BMI) bzw. 5 Patienten (Gewichtsverlust und niedriger FFMI). Insgesamt können bei 7 Patienten (14,3%) die ESPEN-Kriterien zur Diagnose Mangelernährung zur Anwendung kommen.

Schlussfolgerung: Bei Patienten mit CLD mit hydropischer Dekompensation sind BMI und Gewichtsverlauf schwer beurteilbar. Die Anzahl der Patienten mit Mangelernährung wird daher durch die ESPEN-Kriterien nicht ausreichend abgebildet.