Aktuelle Ernährungsmedizin 2016; 41 - V14
DOI: 10.1055/s-0036-1583866

Prospektive Untersuchung zur Wertigkeit des standardisierten Phasenwinkels in der Diagnose Mangelernährung bei hospitalisierten Patienten

Y Dingelstaedt 1, M Wäsch 1, S Löser 1, M Plauth 1
  • 1Städtisches Klinikum Dessau, Dessau, Deutschland

Mangelernährung bei Kranken stellt auch in den reichen Industrienationen ein zunehmendes Problem dar, das mit höherer Morbidität und Mortalität des Patienten erhebliche Mehrkosten im Gesundheitssystem verursacht. Mangelernährung tritt nicht immer unter dem klassischen Bild der Kachexie auf, so dass geeignete Instrumente zur Diagnosefindung unabdingbar sind. Wir untersuchten daher unterschiedliche Diagnosekriterien der Mangelernährung unter besonderer Berücksichtigung des mittels Bioimpedanzanalyse ermittelten Phasenwinkels (PW) bzw. standardisierten PW (sPW).

Bei 423 konsekutiven Patienten einer internistischen Krankenstation mit gastroenterologischem Schwerpunkt wurde der Punktwert des NRS-2002, der PW und sPW ermittelt. Bei allen Patienten mit einem NRS-2002 ≥3 wurde ausserdem geprüft, ob eine Mangelernährung nach den DGEM (AEM 2013) oder den ESPEN (Clin Nutr 2015) Kriterien oder ob der PW oder der fettfreie-Masse-Index (FFMI) unter der 5. Zentile (5.Z) lagen oder der sPW < -1,65 betrug.

Nach NRS-2002 bestand 49,9% der Patienten ein ernährungsbedingtes Risiko. Wenn bei diesen Patienten zusätzlich entweder ein PW < 5. Z, oder ein sPW < -1,65, oder ein FFMI < 5. Z, oder die ESPEN oder die DGEM Kriterien als diagnostisches Kriterium einer Mangelernährung verwendet wurden, ergaben sich die in der Tabelle aufgeführten Prävalenzahlen einer Mangelernährung.

Tab. 1

Diagnosekriterien

NRS ≥3

NRS ≥3 und PW < 5. Z

NRS ≥3 und sPW < 5. Z

NRS ≥3 und FFMI < 5. Z

NRS ≥3 und ESPEN

NRS ≥3 und DGEM

Anzahl

211

125

116

53

22

18

%

49,9

29,6

27,4

12,5

5,8

4,8

Die Kombinationen NRS ≥3 und PW < 5. Z bzw. NRS ≥3 und sPW < -1,65 zeigte in einem internistisch gastroenterologischen Krankengut eine Mangelernährungsprävalenz von 29,6% bzw. 27,4%. Diese Werte stehen in sehr guter Übereinstimmung mit der für diese Patientengruppe beschriebenen Prävalenz von 32,6% in der Deutschen Mangelernährungsstudie (Clin Nutr 2006). Die anderen Kombinationen sind offenbar sehr restriktiv mit der Gefahr einer Unterschätzung der tatsächlichen Prävalenz. Ein NRS ≥3 als alleiniges Kriterium überschätzt die Mangelernährungsprävalenz. Die Kombinationen von NRS und PW bzw. sPW haben für die praktische Anwendung den großen Vorteil klar definierter Cutoffs und einfach und reproduzierbar zu erhebender Messwerte.