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DOI: 10.1055/s-0036-1583565
Wenn das Screening die Diagnose verzögert – Fallstricke des 50 g Screenings
Fragestellung: Seit März 2012 ist das Diabetesscreening mittels 50 g Glukosebelastungstest obligate Vorsorgeuntersuchung in der Mutterschaftsrichtlinie und wird bei allen Schwangeren zwischen der 24/0 und 27/6 SSW durchgeführt. Zu beachten ist jedoch, dass ein unauffälliges Screeningergebnis einen Gestationsdiabetes (GDM) nicht ausschließt und dass bei bestehenden Risikofaktoren ein GDM mit einem diagnostischen Test (75 g oGTT) bereits im ersten Trimenon ausgeschlossen werden muss. Wird das Screening dennoch aufgrund der einfachen Durchführbarkeit fälschlicherweise als Testäquivalent genutzt, bleibt dies nicht selten ohne Folgen.
Methodik: Fallvorstellung.
Ergebnisse: Fallvorstellung einer 40-jährigen Patientin GIII P I mit einem BMI 38 (Adipositas II°, keine weiteren Vorerkrankungen). Im Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge erfolgte trotz Risikofaktor nur ein 50 g-Screening in der 25. SSW mit einem grenzwertigen Testergebnis von 7,4 mmol/l.
Im Verlauf erfolgte bei beginnender makrosomaler Kindsentwicklung die Wiederholung des 50 g-Screenings in der 30. SSW mit nun pathologischem Wert von 9,3 mmol/l.
Die Patientin erhielt schließlich erst in der 31/6 SSW den diagnostischen 75 g oGTT, der zu allen Zeitpunkten pathologische Werte zeigte: nüchtern 7,1 mmol/l, 1h-Wert 11,7 mmol/l und ein 2h-Wert von 9,5 mmol/l. Aufgrund der deutlich pathologischen Nüchtern-Blutzuckerwerte begannen wir sofort mit einer Insulintherapie mit 12IE eines Basalinsulins zur Nacht. Nach Steigerung auf 30IE Basalinsulin konnte der Nüchternblutzucker innerhalb von 2 Wochen gesenkt werden. Mahlzeiteninsulin war zu keiner Zeit notwendig, da durch Normalisierung des morgendlichen Nüchternwertes die Werte im Tagesverlauf postprandial unauffällig waren.
Nach Geburtseinleitung bei vorzeitigem Blasensprung in der 39/4 SSW kam es zur Spontangeburt mit Schulterdystokie (KG 4250 g (94. Perz), KL 55 cm APGAR 9/9/9). Mütterliche und kindliche Blutzuckerwerte lagen postpartal im Zielbereich.
Schlussfolgerung: Der 50 g-Test ist eine Screeningmethode und ersetzt NICHT den 75 g oGTT im Rahmen der Diagnostik! Bei Patientinnen mit selektiv erhöhten Nüchtern-Blutzuckerwerten kann ein bestehender GDM übersehen werden. Bei rechtzeitiger Diagnose hätte im vorgestellten Fall wahrscheinlich die fetale Makrosomie und die damit einhergehende Schulterdystokie verhindert werden können. Durch die erreichte Stoffwechseloptimierung konnte trotz später Therapieeinleitung zumindest die fetale Hypoglykämie und postnatale Anpassungsstörung verhindert werden.