Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - A35
DOI: 10.1055/s-0036-1582201

Menkes-Syndrom: Ein Fallbericht

B Wolff 1, R Naglis 1, L Rauter 1, G Ralph 1
  • 1LKH Hochsteiermark, Standort Leoben, Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe

Fragestellung: Was ist das Menkes-Syndrom und wie ist der Verlauf anhand von M.P.

Fallbericht: M.P. wurde am 29.04.2012 aufgrund eines Geburtsstillstandes in der Austreibungsperiode per sectionem geboren. Initial war das männliche Neugeborene hypoton, blass mit wenig Spontanatmung, adaptierte jedoch nach wenigen Minuten gut (Apgar 7/9/9, Na-pH 7,35, 2790 g, 53 cm). Bei Aufnahme auf der Kinder-Intensiv stellte man eine Krepitation sowie Konturunterbrechung occipital rechts fest. Im CT sah man eine Berstungsfraktur der rechtsseitigen Temporalschuppe, teils mit erheblicher Dislokation, die Ausbildung occipitaler Trümmerzonen, sowie parietal rechts dem Sinus sagittalis benachbarte occipitale Einblutungszonen. Weiters zeigte das Neugeborene zarte Hämatomverfärbungen am Rücken und eine Schnittwunde am Schulterblatt, ansonsten unauffälliger Status. Im weiteren Verlauf traten mehrere Probleme bei dem Kind auf: rezidivierende Soor-Infektionen, Harnwegsinfekte, respiratorische Infekte, Schluckstörungen und eine schwere Epilepsie. Es entwickelte sich eine schwerste psychomotorische Retardierung, deren Ursache zuerst im Geburtstrauma vermutet wurde. Schließlich fielen aber ein auffällig blondes, sehr struppiges Haar und Blasendivertikel auf. Somit wurde im März 2013 erstmals die Verdachtsdiagnose eines Menkes Kinky Hair Syndroms gestellt, welches schließlich auch genetisch im Juli 2013 bestätigt wurde. Ergebnisse:

Das Menkes Syndrom(1) (Kräuselhaarkrankheit, kinky-(steely-)hair-disease Trichopoliodystrophie) ist eine X-chromosomal rezessiv vererbte Erkrankung mit Mutation im ATP7A Gen. Dieses ist notwendig, damit Kupfer im Darm resorbiert und durch die Blut-Hirnschranke transportiert werden kann. Kupfer selbst ist als essentielles Spurenelement an vielen Körperprozessen beteiligt, wie z.B. Atmungskette, Neurotransmittersynthese, Bindegewebsbildung und Hautpigmentierung. Klinische Hauptsymptome treten meist nach 2 – 3 Monaten post partum auf und zeigen sich in Form von psychischer Regression, epileptischen Anfällen, Retardierung und muskulärer Hypotonie. Auffällig ist das „stahlartige“ meist depigmentierte Haar(2). Weitere Symptome sind Bindegewebsschwäche, verstärkte Brüchigkeit der Knochen und Harnblasendivertikel. Die verstärkte Knochenbrüchigkeit war Ursache für die unüblich schweren geburtstraumatischen Schädelfrakturen. Laborchemisch sind das Serumkupfer und das Kupferspeicherprotein Coeruloplasmin erniedrigt, die Leberparameter selbst sind unauffällig. Die Häufigkeit beträgt etwa 1:100 000 bis 250 000. Die Lebenserwartung der betroffenen Kinder beträgt etwa 3 Jahre. Diskussion: Bis zur Diagnosestellung des Vorliegens eines Menkes Syndroms wurde die schwere psychomotorische Behinderung mit Epilepsie als Folge eines Geburtstraumas vermutet. Sowohl für den Geburtshelfer wie auch für die Eltern bedeutete die Diagnose eine wesentliche Entlastung. Nach Diagnosestellung wurde mit einer Kupfersubstitution begonnen (Kupfer-Chlorid-Histidin alle 2 Tage s.c.) Trotz der Substitution kam der Kupferspiegel nie in den Normbereich, jedoch war das Ziel der Therapie, dass sich das Kind wohlfühlt und dieses konnte auch erreicht werden. M.P. verstarb schließlich im Mai 2014 an einer Pneumonie.