Gesundheitswesen 2016; 78 - V38
DOI: 10.1055/s-0036-1578853

Probiotika in der Zahnheilkunde – der nächste Paradigmenwechsel?

U Schlagenhauf 1
  • 1Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Abteilung für Parodontologie, Würzburg

Aktuelle Daten belegen, dass nicht mangelhafte Mundhygiene, sondern eine durch Lebensstil, Ernährung sowie genetische Disposition induzierte, unphysiologische Veränderung des Keimspektrums (Dysbiose) des humanen Mikrobioms der Mundhöhle und des Darms den eigentlichen Ausgangspunkt für eine inadäquate, chronisch proinflammatorische Fehlregulation des mukosalen Immunsystems bilden. Diese manifestiert sich nachfolgend klinisch unter anderem als parodontale Entzündung und verstärkte Plaqueakkumulation. Hierbei ist nicht nur das Überwachsen virulenter, parodontopathogener Keime sondern in gleichem Maße auch das Fehlen systemrelevanter entzündungsdämpfender Schlüsselkeime von Bedeutung. Die Substitution dieser Schlüsselkeime durch den gezielten Konsum von Lebensmitteln mit gesundheitsförderlichen Mikroorganismen bildet die Basis des Konzepts der probiotischen Therapie. Die vorhandene Evidenz zum klinisch relevanten Nutzen probiotischer Therapie bei Patienten mit manifester Parodontalerkrankung ist noch fragmentarisch. Verfügbare Daten aus klinisch-experimentellen Interventionsstudien belegen jedoch in ihrer Mehrzahl eine klinisch bedeutsame Hemmwirkung der Gabe probiotischer Präparate auf die Ausprägung gingivaler Entzündungen sowie eine signifikante Förderung der Abheilung parodontaler Läsionen nach Scaling und Root Planing. Ob der präventive Konsum probiotischer Zubereitungen auch die gesundheitliche Stabilität eines intakten und entzündungsfreien Gebisses verbessert, ist anhand der verfügbaren Evidenzlage bislang nicht zu klären.