Gesundheitswesen 2016; 78 - V31
DOI: 10.1055/s-0036-1578846

Mikrobiologische Tests in Kariologie und Parodontologie – Halten sie, was sie versprechen?

J Einwag 1
  • 1Zahnmedizinisches Fortbildungszentrum (ZFZ), Stuttgart

Die kariologischen und parodontologischen mikrobiologischen Forschungen der 70er, 80er sowie teilweise auch der 90iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren geprägt von einem enormen Wissenszuwachs bezogen auf die Eigenschaften einzelner Bakterien und deren Bedeutung in der Ätiologie von Karies und Parodontitis. Konsequenterweise versuchte man, diese Erkenntnisse im Rahmen des Praxisalltags zu nutzen und entwickelte diverse Testverfahren (von „Speichel-Tests“ bis hin zu „Gen-Tests“), um kariogene und parodontopathogene Mikroorganismen qualitativ und (semi-)quantitativ aufzuspüren und so eine Aussage über mögliche Krankheitsrisiken im Einzelfall treffen zu können. Unabhängig davon, dass sich die Ergebnisse der einzelnen Testverfahren bezüglich Sensitivität und Spezifität alles andere als zufriedenstellend erwiesen und auch die Reproduzierbarkeit zu wünschen übrig ließ, wurden spätestens zu Beginn unseres Jahrhunderts auch immer deutlicher die grundsätzlichen Probleme mit der Bewertung derartiger Tests (auf der Basis von Einzelbakterien) für das klinische Vorgehen deutlich: Karies und Parodontitis sind Biofilm-induzierte Erkrankungen. Die Eigenschaften der Biofilme wiederum sind grundverschieden von der Summe der Eigenschaften der beteiligten Einzelbakterien! Die Erfassung von Einzelbakterien macht aus fachlicher Sicht also nur dann Sinn, wenn die Eigenschaften von Einzelbakterien gefragt sind, z.B. wenn es um die Feststellung eines Übertragungsrisikos von Mutans-Streptokokken oder die Auswahl eines Antibiotikums in der Parodontologie geht. Diese Erkenntnis limitiert die fachliche Indikation ganz entscheidend. Eine ganz andere Frage ist, ob und inwieweit Tests zur Motivation des Patienten eingesetzt werden (sollen). Diese „Indikation“ muss jedes Praxisteam für sich selbst entscheiden.