Geburtshilfe Frauenheilkd 2016; 76 - A7
DOI: 10.1055/s-0035-1570044

Klinische Anwendung und Risikostratifizierung des maternalen und fetalen Schwangerschaftsausgangs mittels sFlt-1 und PlGF

LA Dröge 1, S Verlohren 1, W Henrich 1
  • 1Klinik für Geburtsmedizin, Charité Universitätsmedizin Berlin

Einleitung:

Die alterierte Konzentration der angiogenen Faktoren sFlt-1 (soluble-fms-like-tyrosinekinase-1) und PlGF (Placental Growth Faktor) im maternalen Serum spielt nicht nur eine Rolle in der Pathophysiologie der Präeklampsie (PE). Die Messung des sFlt-1/PlGF-Quotienten eignet sich auch als sensitiver und spezifischer Test, um plazentare Dysfunktionen zu diagnostizieren. Abhängig vom Gestationsalter wurden hierzu cut-off-Werte für Einlingsschwangerschaften ermittelt (Verlohren et al. 2014). Von besonderem Interesse ist nicht nur die Vorhersage einer PE, sondern auch die präzise Detektion PE-bedingter Komplikationen. In dieser Arbeit wurde die Wertigkeit des sFlt-1/PlGF-Quotienten bei Zwillingsschwangerschaften oder bei intrauteriner Wachstumsrestriktion (IUGR) untersucht. Weiterhin wurde untersucht, inwieweit die Routinemessung des sFlt-1/PlGF-Quotienten fetomaternale Komplikationen frühzeitig erkennen kann.

Methoden:

In einer europäischen Multicenterstudie wurde einerseits der sFlt-1/PlGF-Quotient und dessen vom Gestationsalter abhängige diagnostische cut-off Werte für PE bei Zwillingsschwangerschaften untersucht. Diese wurden Einlingsschwangerschaften gegenübergestellt (n = 341, Droege, Herraiz et al. 2015). Weiterhin wurde der sFlt-1/PlGF Quotient bei Schwangeren mit IUGR analysiert (n = 171, Herraiz, Droege et al 2014). Zur besseren Vorhersage mütterlicher und kindlicher Komplikationen entwickelten Palomaki et al. 2015 einen Algorithmus des sFlt-1-PlGF-Quotienten bei Schwangeren, die sich mit klinischem Verdacht auf PE vorstellten. Seit 2012 wird an der Charité routinemäßig der sFlt-1/PlGF bei klinischem Verdacht einer PE oder IUGR bestimmt. Der Algorithmus wurde anhand der an der Charité durchgeführten Routinemessungen extern validiert.

Ergebnisse und Diskussion:

Bei Zwillingsschwangerschaften mit PE zeigten sich analog zu Einlingsschwangerschaften erhöhte sFlt-1/PlGF-Quotienten. Bei Zwillingsschwangerschaften ohne PE war der sFlt-1/PlGF Quotient im Vergleich zu Einlingsschwangerschaften ohne PE erhöht. In der ROC-Analyse ergab sich ein erniedrigter diagnostischer cut-off Wert von 53 (Sensitivität 94%, Spezifität 74%; bei Einlingsschwangerschaften unabhängig vom Gestionsalter beträgt dieser 85, Sensitivität 82%, Spezifität 95%;). Die Anwendbarkeit des für Einlingsschwangerschaften validierten diagnostischen cut-offs des sFlt-1-PlGF-Quotienten bei Einlingsschwangerschaften ist somit limitiert.

Bei Patientinnen mit IUGR aber ohne PE vor der 34. SSW wurden analog zu Patientinnen mit PE erhöhte Serumlevel von sFlt-1, PlGF oder deren Quotienten gemessen. Der sFlt-1/PlGF Quotienten war bei IUGR im Vergleich zu gesunden Kontrollen signifikant erhöht (p < 0,001). Dies unterstreicht, dass der sFlt-1/PlGF-Quotient das „antiangiogene Kontinuum“ bei plazentarer Dysfunktion detektiert.

In einer aktuellen Studie wurde der Palomaki-Algorithmus bei Patientinnen, die sich mit klinischem Verdacht auf Präeklampsie von 2012 bis 2014 in der Charité vorstellten, validiert. Der Algorithmus ermöglicht die Vorhersage Präeklampsie-bedingter Komplikationen mittels sFlt-1 und PlGF unabhängig vom Vorliegen der Diagnose „Präeklampsie“.