Ziel: Bei der graphischen Darstellung des Geburtsverlaufs mittels Partogramm wird gemäss
WHO-Partograph ein linearer Verlauf der Zervixdilatation von 1 cm/h in der Eröffnungsperiode
(EP) zugrunde legt. Untersuchungen aus den letzten Jahren haben gezeigt, dass die
Zervixdilatation jedoch einem exponentiellen Verlauf zu folgen scheint. Es wurden
daher für unser Patientenkollektiv des UniversitätsSpitals Zürich die Zervixdilatationsraten
der EP berechnet und verschiedene Einflussfaktoren untersucht.
Methodik: In einer retrospektiven Analyse computerbasierter Daten von 01/2007 bis 07/2014 wurden
die Zervixdilatationsraten bei 8378 Einlings-Spontangeburten aus Schädellage in einem
Gestationsalter von 34 + 0 bis 42 + 5 Schwangerschaftswochen mit normalem fetalen
Outcome für Nulliparas und Multiparas berechnet. Als Einflussfaktoren wurden Gestationsalter,
maternaler BMI, maternales Alter, fetales Gewicht, fetaler Kopfumfang, fetale Stellung,
Einleitung und EDA untersucht.
Ergebnis: Die Zervixdilatationsraten nehmen in der EP exponentiell zu, liegen zwischen 0,3
und 4,5 cm/h und unterscheiden sich ab einem Muttermundsbefund (MM) von 6 cm signifikant
zwischen den Paritätsgruppen. Bei Nulliparas überschreitet die Dilatationsgeschwindigkeit
1 cm/h erst bei einem MM von 7 cm, bei Multiparas ab 6 cm. Signifikant beschleunigende
Faktoren sind die dorsoanteriore Lage, fortschreitende Zervixdilatation, Einleitung
und Parität, verlangsamende Faktoren die EDA, zunehmendes fetales Gewicht und Kopfumfang
(p < 0,001).
Schlussfolgerung: Unsere Daten stützen den exponentiellen Verlauf der Zervixdilatation, welche von
verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Abweichungen im Geburtsverlauf gemäss WHO-Partograph
führen häufig zu Interventionen, wie z.B. Wehenunterstützung mittels Oxytocin oder
operativer Geburtsbeendigung. Eine Geburtsüberwachung anhand moderner Partogramme
erscheint uns daher sinnvoll, um unnötige Interventionen zu vermeiden und den maternalen
und fetalen Outcome zu verbessern.