Editorial

Umstritten!

Unspezifische Schmerzen im Rücken oder Nacken führen viele Patienten zum Physiotherapeuten. Unspezifisch heißt, dass sie keine erkennbare strukturelle Ursache haben. Dennoch werden in der Physiotherapie immer noch unterschiedliche „Konzepte“ eingesetzt, deren Wirkung auf der Annahme einer spezifischen Ursache beruht, die nicht selten im Bindegewebe vermutet wird. Beispiele sind kapsuläre Verkürzungen und Laxitäten oder „Faszienstörungen“.

Wir Therapeuten brauchen Antworten auf folgende Fragen: Wie verändert sich das Bindegewebe unter dem Einfluss von zu viel bzw. zu wenig Bewegung und wie durch eine veränderte Körperhaltung? Was genau geschieht im Bindegewebe, wenn Haltung und Bewegung therapeutisch beeinflusst und verändert werden? Das sind letztlich Fragen zur prinzipiellen Wirkung von Physiotherapie, denn Bewegung und Haltung zu beeinflussen, ist der Kern der Physiotherapie. Dies ist z. B. beim Weltverband der Physiotherapeuten nachzulesen (World Confederation for Physical Therapy, WCPT, (www.wcpt.org).

Es existieren verschiedene Denkmodelle und Erklärungsversuche, aber immer noch zu wenige Forschungsergebnisse, die die Wirkung von Physiotherapie auf der Bindegewebsebene belegen. Meine Hypothese: So manche therapeutische Intervention wird auf Basis der Bindegewebsphysiologie erklärt und ihr Erfolg dann an der Schmerzlinderung gemessen. Dabei wissen wir alle: Schmerzreduktion ist kein Beweis für Veränderung im Bindegewebe!

Unser Plan für den Schwerpunkt dieses Heftes war, Ihnen ein Forschungsupdate in Sachen Bindegewebe zu bieten. Leider fanden wir wenige Wissenschaftler, die exakt an unseren Fragestellungen forschen. So fällt die Rubrik Schwerpunkt diesmal etwas kürzer aus.

Wir freuen uns umso mehr, mit Constantin Mett einen Autor gefunden zu haben, der Bindegewebe erforscht und zum Thema „Hypo- und Hypermobilität – Ursachen und Auswirkungen auf das Bindegewebe“ für die manuelletherapie geschrieben hat.

Für aktuelle Studienergebnisse zu den oben genannten Fragen sind wir dankbar. Schreiben Sie uns an: [e-mail].

Mit besten Grüßen

Jochen Schomacher