Gesundheitswesen 2015; 77 - A357
DOI: 10.1055/s-0035-1563313

Gesundheitliche Lage und Gesundheitsverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1)

A Rommel 1, A Saß 2, S Born 1, U Ellert 2
  • 1Robert Koch-Institut
  • 2Robert Koch-Institut, Berlin

Bevölkerungsweite Daten zur Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund (MMH) sind nach wie vor rar. Die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) des Robert Koch-Instituts ist der erste Gesundheitssurvey unter Erwachsenen in Deutschland, in dem der Migrationshintergrund der Befragten differenziert erfasst wurde und Übersetzungshilfen zum Einsatz kamen. Ziel des Beitrages ist es, die gesundheitliche Lage von MMH im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund (MoMH) auf Basis von DEGS1 darzustellen und die Eignung der Stichprobe von MMH für die weitere Forschung einzuschätzen. DEGS1 wurde von 2008 – 2012 durchgeführt. Die Querschnittpopulation (n = 7.987) enthält 1.107 MMH. Die Beurteilung der Stichprobe von MMH erfolgt durch einen Vergleich von DEGS1 mit dem Mikrozensus. Den inhaltlichen Fragen wird anhand von Indikatoren zu Gesundheitszustand, gesundheitsriskantem Verhalten und zur Inanspruchnahme präventiver Leistungen nachgegangen. Alle Auswertungen erfolgen nach Geschlecht und unterscheiden nach MMH der 1. und 2. Generation. Logistische Regressionsmodelle werden nach Alter und sozioökonomischem Status adjustiert. Die Ergebnisse zeigen klare geschlechtsspezifische Muster: Bei Frauen sind Unterschiede vor allem bei MMH der 1. Generation signifikant. Verglichen mit MoMH weisen sie einen schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand auf, sind körperlich inaktiver, trinken weniger Alkohol und nehmen präventive Leistungen seltener in Anspruch. Tägliche Raucherinnen sind nur bei Frauen der zweiten Generation häufiger vertreten als bei MoMH. Bei Männern zeigen sich signifikante Unterschiede seltener, dann aber in der ersten wie auch der zweiten Generation. So weisen Männer mit Migrationshintergrund häufiger depressive Symptome auf und konsumieren seltener Alkohol als MoMH. Der Effekt des Migrationshintergrundes auf die gesundheitliche Lage bleibt auch bei Kontrolle des sozioökonomischen Status weitgehend erhalten. Die DEGS1-Ergebnisse sind vor dem Hintergrund der bestehenden Evidenz plausibel. Zu beachten ist, dass die Stichprobe trotz Gewichtung bei Merkmalen wie Alter, Zuwanderergeneration und Aufenthaltsdauer Verzerrungen aufweist. Die Nutzung von DEGS1 für die Migrationsforschung erfordert eine differenzierte Berücksichtigung dieser Merkmale durch geeignete Adjustierung und eine sorgfältige Einordnung der Befunde.