Gesundheitswesen 2015; 77 - A309
DOI: 10.1055/s-0035-1563265

Das Konzept der „gesundheitskompetenzfreundlichen Organisation“ aus dem Blickwinkel der Managementebene deutscher Kliniken – eine qualitative Expertenbefragung

I Münch 1, U Junius-Walker 1, ML Dierks 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Hannover

Hintergrund: Gesundheitskompetenz wird als Fähigkeit verstanden, Gesundheitsinformationen lesen, verstehen und anwenden zu können sowie eine aktive Rolle zur Verbesserung der Gesundheit einzunehmen. Organisationen der Patientenversorgung könnten beitragen, die Gesundheitskompetenz ihrer Patienten zu fördern. Die Studie untersucht, ob das vom amerikanischen IOM (Institute of Medicine) entwickelte Konzept der „gesundheitskompetenzfreundlichen Organisation“ explizit beziehungsweise implizit in deutschen Krankenversorgungseinrichtungen umgesetzt wird und wie Verantwortliche im Management die Relevanz beurteilen. Methodik: Insgesamt werden 42 qualitative, leitfadengestützte Expertenbefragungen in 3 Krankenhäusern und 3 Rehabilitationskliniken (unterschiedliche Trägerschaft) durchgeführt, pro Klinik 4 Leitungspersonen sowie 3 Mitarbeiter aus dem operativen Bereich. Die Interviews werden aufgezeichnet und transkribiert. Die Auswertung erfolgt mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Ergebnisse: Die Erhebungsphase befindet sich im laufenden Prozess. Aus den bis dato geführten Expertengesprächen (N = 4) wird deutlich, dass der Begriff Gesundheitskompetenz wenig bekannt ist. Nach gemeinsamer Erarbeitung der Definition und des Konzeptes, wird den Experten bewusst, dass sie das Thema zwar anders nennen, aber die Relevanz für ihre Einrichtungen durchaus sehen: „Das machen wir alles, das sind bloß andere Begrifflichkeiten.“ Sie beschreiben das IOM-Konzept als positiv, umfassend und patientenzentriert, glauben jedoch, dass die in der Klinik angewendeten Qualitätsmanagement-Modelle ausreichend seien. Eine zukünftige Bedeutung für gesundheitskompetenzfreundliche Organisationen wird in der sich verändernden Patientenstruktur gesehen, Patienten werden nicht nur „anspruchsvoller“, sondern auch älter und multimorbider. Ein Hemmnis könnte die geringe Bereitschaft der Patienten sein, selbst etwas für ihre Gesundheitskompetenz zu tun. Diskussionen: Die befragten Leitungspersonen haben die Verbesserung der Gesundheitskompetenz ihrer Patienten durch die eigene Institution noch nicht als maßgebliches Thema identifiziert. Ob das Konzept der „gesundheitskompetenzfreundlichen Klinik“ Einzug in deutsche Krankenversorgungseinrichtungen erhält, ist davon abhängig, dass das Management es zum integralen Bestandteil ihrer Strukturen und Prozesse macht. Die Ergebnisse aus den Expertengesprächen können dazu beitragen, die IOM-Konzeption so weiterzuentwickeln, dass sie in deutschen Kliniken Anwendung findet oder in bestehende QM-Modelle eingebettet wird.

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