Gesundheitswesen 2015; 77 - A253
DOI: 10.1055/s-0035-1563209

Asthma, Allergien und die Hygiene Hypothese – spielt persönliche Hygiene eine Rolle?

J Weber 1, S Illi 2, D Nowak 3, 4, R Schierl 5, O Holst 4, 6, MJ Ege 2, E von Mutius 2, 4
  • 1Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit
  • 2Dr. von Haunersches Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität, München
  • 3Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der LMU München, München
  • 4Mitglied des Deutschen Zentrums für Lungenforschung (DZL)
  • 5Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Klinikum der LMU München
  • 6Abteilung für Strukturbiochemie, Forschungszentrum Borstel, Leibniz Zentrum für Medizin und Biowissenschaften, Borstel

Hintergrund: In ihrer ursprünglichen Bedeutung erklärte die ‚Hygiene-Hypothese‘ die Entstehung von Allergien durch zu wenige Infekte im Kleinkindalter. Im Laufe der Zeit hat sich ein Bedeutungswandel vollzogen: „Hygiene“ wird auch als übertriebene Sauberkeit in Wohlstandgesellschaften interpretiert. Es gibt aber bislang keine Belege dafür, dass Hygieneverhalten und Putzgewohnheiten in direktem Zusammenhang mit Asthma und Allergien stehen. Methodik: Bei 399 Schulkindern aus dem Großraum München wurden im Rahmen der Perinatalen Asthma und Umwelt Langzeit Studie (PAULA) umfangreiche Fragebogeninformationen zu individueller Hygiene und Sauberkeit im Wohnumfeld sowie zu allergischen Erkrankungen gesammelt. In Staubproben vom Wohnzimmerfußboden und von der Kindermatratze wurden die bakteriellen Marker Endotoxin und Muraminsäure gemessen. Staubmarker, Hygieneverhalten und Allergien wurden zueinander in Beziehung gesetzt. Ergebnisse: Individuelle Hygiene war invers mit bakteriellen Bestandteilen in Staubproben vom Fußboden und von der kindlichen Matratze assoziiert, während häufiges Putzen zwar die Staubmenge effektiv reduzieren konnte, jedoch nicht die bakteriellen Marker. Exposition gegenüber Muraminsäure war mit einer geringeren Asthmaprävalenz im Schulalter verbunden (adjustierte Odds Ratio (aOR) 0,59 [95%-Konfidenzintervall (KI) 0,39 – 0,90]). Die Endotoxinmenge in den Matratzenstaubproben vom ersten Lebensjahr der Studienkinder war invers mit dem Auftreten von atopischer Sensibilisierung (aOR 0,73 [KI 0,56 – 0,96]) und mit der Asthmaprävalenz im Schulalter (aOR 0,72 [KI 0,55 – 0,95]) assoziiert. Ein direkter Zusammenhang von Hygieneverhalten und Allergien bestand jedoch nicht (z.B. aOR für Asthma und Haushalthygiene: aOR 1,08 [KI 0,87 – 1,35]). Diskussion: Das häusliche bakterielle Umfeld ist eng mit der Entwicklung von Asthma und Allergien im Kindesalter verbunden. Der Staub und Bakterien reduzierende Effekt von Körperhygiene, wie z.B. Hände waschen, oder Sauberkeit im Haushalt spiegelte sich in objektiven Messungen wider. Trotzdem gab es keine Assoziation zwischen individueller oder Haushaltshygiene und dem Risiko für Asthma oder Allergien. Das legt die Vermutung nahe, dass an der Allergieprävention andere als durch Putzen oder Reinigen zu beseitigende Bakterien beteiligt sind.