Gesundheitswesen 2015; 77 - A164
DOI: 10.1055/s-0035-1563120

Partizipative Technikgestaltung mithilfe qualitativer Methoden als Teil des ethisch informierten Health Technology Assessment

K Weber 1, 2
  • 1Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg
  • 2Brandenburgische Technische Universität Cottbus – Senftenberg

Seit geraumer Zeit wird diskutiert, Technik zur Unterstützung der Pflege alter und hochbetagter Menschen einzusetzen. Dabei werden gesundheits-, arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Ziele verfolgt, die nicht immer die zu pflegenden Personen und das Pflegepersonal in das Zentrum der Überlegungen stellen, so dass unweigerlich weitreichende normative Fragen aufgeworfen werden. Diese nicht zu beantworten kann dazu führen, dass Produkte und Dienstleistungen entwickelt werden, die von den potenziellen Nutzern nicht akzeptiert werden. Daher ist es sinnvoll, entsprechende altersgerechte Assistenzsysteme frühzeitig ethisch zu evaluieren und eine partizipative Technikentwicklung einzuleiten, um Konflikte lösen zu helfen und Akzeptanz für die Technik und deren Einsatz herzustellen. Dies zielt letztlich auf eine durch alle Stakeholder mitbestimmte Gestaltung von Technik und gehört damit in den Kontext partizipativer bzw. konstruktiver Technikfolgenforschung (bspw. Guston/Sarewitz 2002; Genus 2006). Es böte sich zudem die Chance das Desiderat der Einbeziehung von ethischen und soziokulturellen Aspekten im Health Technology Assessment einzuholen (z.B. Gerhardus/Stich 2008; Lühmann/Raspe 2008). Existierende Verfahren zur Stakeholder-Einbindung (bspw. VDI-Richtlinie 3780, sentha, MAST) berücksichtigen ethische bzw. kulturelle Faktoren nur am Rande und/oder beinhalten keine klaren methodischen Vorgehensweisen. Das Modell zur ethischen Evaluation soziotechnischer Arrangements (MEESTAR) hingegen wurde im Auftrag des BMBF entwickelt, um ethisch problematische Effekte altersgerechter Assistenzsysteme zu identifizieren und darauf aufbauend Wege zu deren Lösung oder zumindest Abschwächung zu finden. Dabei werden qualitative Methoden der empirischen Sozialforschung, insbesondere Fokusgruppen, genutzt, um Stakeholder-Perspektiven zu ermitteln, in die Bewertung einfließen zu lassen und einen Beitrag zur Konfliktlösung zu leisten. Damit werden HTA-Aufgaben ebenso wie Beiträge zur partizipativen Technikgestaltung übernommen. Die Stärken MEESTARs sind insbesondere darin zu sehen, dass nicht nur unterschiedliche Stakeholder-Perspektiven genutzt werden, sondern auch individual-, institutionen- und sozialethische Überlegungen mit einfließen. Im vorgeschlagenen Beitrag sollen das Einsatzgebiet altersgerechter Assistenzsysteme, die sich daraus ergebenden normativen Fragen sowie MEESTAR zur Evaluierung der Technik und zur Beantwortung der entsprechenden Fragen vorgestellt werden.

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