Sportphysio 2015; 03(03): 142-143
DOI: 10.1055/s-0035-1562954
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Veranstaltungsbericht: 12. Symposium der SVSP

Alessia Caflisch
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Publication Date:
04 August 2015 (online)

„Funktion und Sport“ im sonnigen Bern

Im Morgengrauen des 21. November 2014 begaben sich ca. 350 Sportphysiotherapie-Interessierte ins sonnige Bern. Dort fand im Ausstellungsgelände der BernExpo das alljährliche Symposium des Schweizerischen Verbandes für Sportphysiotherapie (SVSP) statt. Das Programm las sich vielversprechend, da man exzellente Referenten aus aller Welt zum Thema Funktion und Sport gewinnen konnte. Die Teilnehmenden waren also gespannt auf neue Impulse und Inputs.

Nach der Begrüßung durch den Präsidenten des SVSP Stephan Meyer startete Shirley Sahrmann aus St. Louis, USA mit bemerkenswerten Erkenntnissen aus 30 Jahren Forschung und Praxis. Sahrmann zeigte, dass es relative Steifigkeiten beziehungsweise Flexibilitäten gibt. Folglich sei es für Therapeuten wichtig, Bewegungsmuster zu erkennen und anzupassen. Sie erläuterte dies sowohl mit gefilmten Therapiesequenzen als auch äußerst anschaulich mithilfe einer Metallfeder. Aus therapeutischer Sicht empfiehlt sie, den Alltag des Patienten funktionell anzupassen. Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass sich aus wiederkehrenden Mikrotraumata Makrotraumata entwickeln. Sahrmann betonte, dass Stretching als therapeutische Intervention nicht die gewünschte Wirkung bringt, denn es handelt sich nicht um eine Verkürzung, sondern um ein Ungleichgewicht von relativer Steifigkeit und Flexibilität.

Dianne Andreotti aus der Schweiz knüpfte mit einem Referat zu motorischer Kontrolle und Hamstrings bei Sportlern an. Stretching bringt häufig keinen Erfolg, da eine Hyperaktivität vorliegt. Ziel ist es, Barrieren der motorischen Kontrolle zu überwinden. Nach ihrer Auffassung liegen inadäquate Aktivierungspattern vor, und diese gilt es zu optimieren – z. B. über die Steigerung der Wahrnehmung, den Einbezug von Reflexen oder auch durch Förderung der selektiven Ansteuerung. Sicher wird es spannend zu verfolgen, welche Rolle solche Aspekte im Kraftaufbau und in der Prävention in Zukunft einnehmen werden.

Dr. Michael Romann, ebenfalls aus der Schweiz, sprach zum Thema biologisches Alter und relativer Alterseffekt. Bis zu fünf Jahre beträgt der Unterschied zwischen chronologischem und biologischem Alter. So kann man Talente spezifischer selektionieren, denn momentan scheiden potenzielle Athleten fälschlicherweise aus. Zur Objektivierung dieser Einteilung dienen verschiedene Messverfahren wie Handröntgen und Mirwald-Methode.

Professor Peter McNair aus Neuseeland belegte mit eindrücklichen Zahlen die neurale Muskelinhibition nach einer Gelenkverletzung. So ist das Gelenk traumatisch oder postoperativ meist die Ursache der Muskelinhibition, welche zu einem Kraftdefizit führt. Diese Muskelinhibition beträgt 20–40 % nach einer Verletzung. Akut lässt sich dies in den ersten Tagen auf 80 %, nach sechs Monaten auf 20 % und auf der nicht betroffenen Seite auf 10 % beziffern. Ebenfalls führt eine Laxität zu diesem Phänomen. Als konkrete Therapievorschläge nennt er beispielsweise Isometrie bei geringer Druckbelastung, Eisapplikation während des Trainings und TENS. Es gilt daran zu denken, dass die Inhibition beidseits (auch auf der nicht betroffenen Seite) stattfindet.

Zur selben Thematik referierte Dr. Nicola Maffiuletti aus der Schweiz: „Quadrizeps-Muskelatrophie und Inhibition nach Kniegelenksoperation“. Er postuliert, dass auch Jahre nach einer Operation Einbußen vorhanden sind. Zwei Drittel des Defizits sind inhibitionsbedingt, ein Drittel verursacht die Atrophie. Bedingt durch diese Atrophie findet eine funktionelle Anpassung statt, wodurch die Gelenkbelastung steigt und eine mögliche Degeneration stattfindet. Ein kontralaterales Training verbessert die Kraft auf der nicht trainierten Seite. Was in die Rehabilitation implantiert werden sollte, sind: frühes Training mit dem kontralateralen Bein, „Mental Practice“ (Vorstellung der Bewegung), neuromuskuläre Elektrostimulation, exzentrisches Training und ballistisches Training.

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Abb. 1 Referenten wie Shirley Sahrmann aus den USA, Peter McNair aus Neuseeland und Martin Zwajeja, ehemaliger Gewichtheber aus Köln, machten das 12. Symposium der SVSP zu einem hochkarätigen Fortbildungstag. (Foto: mb)

Aus Italien kam Dr. Carla Stecco und berichtete über „Forschungserkenntnisse und Propriozeption der Faszien; Konsequenzen für den Sport“. Sie stellte die Faszie als ein perzeptives und innerviertes Organ dar. Imposante Bilder zeigten, wie die Faszien parallel zu den Muskeln funktionieren. Die Gleitfunktion der Faszien spielt eine zentrale Rolle für die Bewegung. Chronische Probleme führen zu Veränderungen an der thorakolumbalen Faszie. Folglich spielt die Faszie möglicherweise nicht nur eine passive Rolle. Mario Bizzini (Vorstandsmitglied SVSP) bedankte sich mit den treffenden Worten: „Faszinierender Vortrag.“

Martin Zwajeja, ehemaliger Gewichtheber aus Köln, Deutschland zeigte „live on stage“, was bei einem Langhanteltraining zu berücksichtigen ist.

Zum Abschluss brachte McNair in seinem zweiten Referat interessante Zahlen zur praktischen Anleitung für ein optimales Training bei jüngeren Patienten, welche bereits Arthrose respektive Knorpelschäden aufweisen.

Nebst den Präsentationen eignete sich das Symposium auch zum Austausch unter passionierten Sportphysiotherapeuten, so zum Beispiel während des Besuches der Fachausstellung.

Fazit: In einer gelungenen Veranstaltung konnten einige erleuchtende „Sonnenstrahlen“ für die Sportphysiotherapie-Tätigkeit mit nach Hause genommen werden. Ich freue mich bereits auf den 20. bis 21. November 2015. Dann findet der erste Weltkongress der Sportphysiotherapie in Bern statt: „Return to Play“ (www.rtp2015.com).

Alessia Caflisch