Einleitung: Pathologisches Spielen wird gemäß ICD-10 als Impulskontrollstörung klassifiziert.
Aufgrund der klinischen Ähnlichkeiten – wie Kontrollverlust, Entzugssymptomatik und
Vernachlässigung anderer Lebensbereiche – wird Pathologisches Spielen jedoch schon
lange auch in seiner Nähe zu Suchterkrankungen diskutiert. Auch neurobiologische Befunde
weisen zunehmend auf suchtähnliche Pathomechanismen hin. Die aktuelle Novellierung
des DSM (DSM-5) folgt diesen Befunden dahingehend, als das Pathologisches Spielen
nun als „gambling disorder“ unter „substance-related and addictive disorders“ reklassifiziert
wurde. Die neurobiologische Forschung zu Abhängigkeiten konzentriert sich dabei auf
die Reagibilität des Gehirns auf suchtrelevante Reize bzw. primäre und sekundäre Verstärker.
Mit verstärkungsabhängiger Handlungssteuerung wird insbesondere das mesolimbische
Belohnungssystem des Gehirns in Verbindung gebracht, sowohl bei substanzgebundenen
Abhängigkeiten (vgl. Hommer et al., 2011) als auch bei Pathologischem Glücksspiel
(vgl. van Holst et al., 2010).
Methoden: Nur wenige Studien machten es sich bisher zur Aufgabe, gemeinsame und distinkte Pathomechanismen
zwischen Pathologischem Glücksspiel und substanzbezogenen Störungen wie Alkoholabhängigkeit
näher zu beleuchten und miteinander in Zusammenhang bringen. Studien unserer Arbeitsgruppe
untersuchten daher die Verarbeitung von monetären Gewinnen und Verlusten bei Pathologischem
Glücksspiel im direkten Vergleich zu Alkoholpatienten und Gesunden mittels MRT. Als
experimentelle Paradigmen werden dazu vorwiegend Aufgaben zur Verstärkerverarbeitung,
wie die monetary incentive delay task sowie Aufgaben zur Entscheidungsfindung im fMRT
verwendet. Zur Analyse hirnstruktureller Unterschiede werden zudem hirnvolumetrische
Daten (sMRT) berücksichtigt.
Ergebnisse: Analysen ergaben, dass sich die Gruppen vor allem hinsichtlich der Verarbeitung von
Verlusten unterschieden. So zeigten die Pathologischen Spieler höhere Aktivierungen
im ventralen Striatum als Alkoholpatienten bei Antizipation von möglichen Verlusten.
Auch zeigen sich Unterschiede auf behavioraler wie neuronaler Ebene in der sogenannten
Verlustaversion, d.h. der subjektiven Gewichtung von Verlusten ggü. Gewinnen. Auch
die Betrachtung hirnstruktureller Veränderungen sowie der funktionellen Konnektivität
der relevanten Hirnareale zeigte Auffälligkeiten im mesolimbischen Belohnungssystem.
So wiesen Personen mit Pathologischem Glücksspiel ein gegenüber Gesunden höheres lokales
Volumen im ventralen Striatum sowie im ventro-lateralen Präfrontalkortex sowie eine
vermehrte funktionelle Kopplung dieser Areale auf.
Diskussion: Neurobiologische Veränderungen bei Pathologischem Glücksspiel zeigen sich ähnlich
zu denen bei substanzgebundenen Störungen. Gleichzeitig scheint jedoch die Verarbeitung
von Verlusten einen relevanten Stellenwert einzunehmen, was sich klinisch mit der
Sensitivität gegenüber Spielverlusten („Jagd nach Verlusten vom Vortag“) deckt. Aus
translationaler Sicht ergeben sich aus den bisherigen Befunden zu neurobiologischen
Grundlagen interessante Therapieimplikationen, die abschließend diskutiert werden.