Suchttherapie 2015; 16 - S_02_02
DOI: 10.1055/s-0035-1557504

Pathologisches Glücksspiel: Therapieimplikationen einer neurobiologischen Perspektive

N Romanczuk-Seiferth 1
  • 1Charité – Universitätsmedizin Berlin

Einleitung: Pathologisches Spielen wird gemäß ICD-10 als Impulskontrollstörung klassifiziert. Aufgrund der klinischen Ähnlichkeiten – wie Kontrollverlust, Entzugssymptomatik und Vernachlässigung anderer Lebensbereiche – wird Pathologisches Spielen jedoch schon lange auch in seiner Nähe zu Suchterkrankungen diskutiert. Auch neurobiologische Befunde weisen zunehmend auf suchtähnliche Pathomechanismen hin. Die aktuelle Novellierung des DSM (DSM-5) folgt diesen Befunden dahingehend, als das Pathologisches Spielen nun als „gambling disorder“ unter „substance-related and addictive disorders“ reklassifiziert wurde. Die neurobiologische Forschung zu Abhängigkeiten konzentriert sich dabei auf die Reagibilität des Gehirns auf suchtrelevante Reize bzw. primäre und sekundäre Verstärker. Mit verstärkungsabhängiger Handlungssteuerung wird insbesondere das mesolimbische Belohnungssystem des Gehirns in Verbindung gebracht, sowohl bei substanzgebundenen Abhängigkeiten (vgl. Hommer et al., 2011) als auch bei Pathologischem Glücksspiel (vgl. van Holst et al., 2010).

Methoden: Nur wenige Studien machten es sich bisher zur Aufgabe, gemeinsame und distinkte Pathomechanismen zwischen Pathologischem Glücksspiel und substanzbezogenen Störungen wie Alkoholabhängigkeit näher zu beleuchten und miteinander in Zusammenhang bringen. Studien unserer Arbeitsgruppe untersuchten daher die Verarbeitung von monetären Gewinnen und Verlusten bei Pathologischem Glücksspiel im direkten Vergleich zu Alkoholpatienten und Gesunden mittels MRT. Als experimentelle Paradigmen werden dazu vorwiegend Aufgaben zur Verstärkerverarbeitung, wie die monetary incentive delay task sowie Aufgaben zur Entscheidungsfindung im fMRT verwendet. Zur Analyse hirnstruktureller Unterschiede werden zudem hirnvolumetrische Daten (sMRT) berücksichtigt.

Ergebnisse: Analysen ergaben, dass sich die Gruppen vor allem hinsichtlich der Verarbeitung von Verlusten unterschieden. So zeigten die Pathologischen Spieler höhere Aktivierungen im ventralen Striatum als Alkoholpatienten bei Antizipation von möglichen Verlusten. Auch zeigen sich Unterschiede auf behavioraler wie neuronaler Ebene in der sogenannten Verlustaversion, d.h. der subjektiven Gewichtung von Verlusten ggü. Gewinnen. Auch die Betrachtung hirnstruktureller Veränderungen sowie der funktionellen Konnektivität der relevanten Hirnareale zeigte Auffälligkeiten im mesolimbischen Belohnungssystem. So wiesen Personen mit Pathologischem Glücksspiel ein gegenüber Gesunden höheres lokales Volumen im ventralen Striatum sowie im ventro-lateralen Präfrontalkortex sowie eine vermehrte funktionelle Kopplung dieser Areale auf.

Diskussion: Neurobiologische Veränderungen bei Pathologischem Glücksspiel zeigen sich ähnlich zu denen bei substanzgebundenen Störungen. Gleichzeitig scheint jedoch die Verarbeitung von Verlusten einen relevanten Stellenwert einzunehmen, was sich klinisch mit der Sensitivität gegenüber Spielverlusten („Jagd nach Verlusten vom Vortag“) deckt. Aus translationaler Sicht ergeben sich aus den bisherigen Befunden zu neurobiologischen Grundlagen interessante Therapieimplikationen, die abschließend diskutiert werden.