Suchttherapie 2015; 16 - S_02_01
DOI: 10.1055/s-0035-1557503

Neurobiologische Befunde zur Alkoholabhängigkeit

K Charlet 1
  • 1Charité – Universitätsmedizin Berlin

Einleitung: In vivo Bildgebungsstudien ermöglichen es, das komplexe Zusammenspiel zwischen Hirnfunktion und -struktur, genetischen und Persönlichkeitsfaktoren zu untersuchen, die an der Entstehung und Aufrechterhaltung von Suchterkrankungen beteiligt sind. Anhand der Alkoholabhängigkeit konnte dabei gezeigt werden, dass eine veränderte Emotionswahrnehmung, -regulation und die verminderte kognitive Fähigkeit zur exekutiven Verhaltenskontrolle von zentraler Bedeutung sind. Ziel der vorgestellten Studien war es, zum erweiterten Verständnis der neurobiologischen Grundlagen der Emotionsverarbeitung und Exekutivfunktionen in der Alkoholabhängigkeit beizutragen und mögliche Zusammenhänge zum individuellen Rückfallrisiko aufzuzeigen.

Methoden: Dafür wurden alkoholabhängige Patienten und gesunde Erwachsene sowie gesunde Jugendliche mittels funktioneller und struktureller Magnetresonanztomografie prospektiv untersucht. Zusätzlich wurde bei den alkoholabhängigen Patienten der genetische Einfluss auf die funktionelle Alkoholreizverarbeitung und den Therapieverlauf geprüft.

Ergebnisse: Es konnten folgende protektive Faktoren identifiziert werden, die dem zukünftigem Rückfall entgegenwirken:

  • erhöhte Aktivierung des anterioren cingulären Kortex während der Verarbeitung negativer Emotionen;

  • flexible und kompensatorische Aktivierung neuronaler (präfrontaler) Ressourcen zur Bewältigung hoher kognitiver Ansprüche;

  • GATA4-Genotyp-abhängige Amygdala-Reaktivität auf Suchtreize; und

  • strukturelle Integrität der Frontalhirnareale, die sowohl mit der Verhaltenssteuerung als auch mit (suchtrelevanter) Impulsivität assoziiert sind.

Diskussion: Die Ergebnisse dieser Studien tragen insgesamt zu der Identifikation von Resilienzmechnismen in der Alkoholabhängigkeit bei, die Patienten nach der Entgiftung befähigen, auch angesichts schwieriger Situationen abstinent zu bleiben. [BMBF-Forschungsförderung FKZ 01GS08159; 01ZX1311E]