Der Klinikarzt 2015; 44(5): 225
DOI: 10.1055/s-0035-1555645
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Mensch, Affe!

Winfried Hardinghaus
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Publication Date:
02 June 2015 (online)

Humanmediziner bin ich geworden und kein Tierarzt. Dennoch mag ich Tiere, auch exotische.

Überrascht war ich im vergangenen Monat von folgender Meldung: Schimpansen bekommen Menschenrechte. Vielleicht – nomen est omen – soll doch der Name Schimpanse aus der Bantu-Sprache Tschiluba vom Ausdruck kivili-chimpenze abgeleitet, was sich mit Schein-Mensch übersetzen lässt.

Was steckte hinter der Meldung oder war das mit dem Affen eine Ente?

Nun: Die Tierrechtsorganisation Nonhuman Rights Project hat in einem 2 Jahre andauernden Rechtskampf tatsächlich erwirkt, dass die Schimpansen Leo und Hercules, die in einem Forschungslabor auf Long Island (New York) leben, ab sofort nach dem amerikanischen Habeas Corpus Act, dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, behandelt werden müssen. Das heißt, die Tiere dürfen für sich selbst entscheiden, wo sie leben möchten. Da man davon ausgeht, dass sie auf Dauer nicht in einer Forschungseinrichtung hausieren wollen, werden sie in Zukunft auf eine Affenfarm in Florida umgesiedelt, die ihnen den größtmöglichen Lebensfreiraum bietet.

Die Richter begründeten das Urteil unter anderem mit wissenschaftlichen Fortschritten und neuen Erkenntnissen über Menschenaffen (Hominidae). Man weiß heute wohl, dass das Erbgut von Schimpansen zu 99,4 % dem des Menschen gleicht. Die Allesfresser haben nachweislich Gefühle, ein ausgeprägtes Sozialverhalten und Intelligenz, die sie zum logischen Denken befähigt. Schimpansen haben sogar je nach Herkunft eine unterschiedliche Kultur.

Nonhuman Rights geht nach dem Urteilsspruch davon aus, dass jetzt anderen eingesperrten Schimpansen das gleiche Recht zukommt und will sich als nächstes darum kümmern, dass dieses auch für die 3 anderen Gruppen von Menschenaffen gilt. Immerhin besitzen Bonobos noch 98 %, Gorillas 97,7 % und Orang-Utans 96,4 % mit dem Menschen identisches Erbgut (Danach sollen dann Elefanten, Delphine und Wale menschliche Rechte bekommen).

Nicht unmöglich scheint also, dass Menschenaffen zukünftig in Deutschland nur noch eingesperrt werden, wenn sie gegen das Grundgesetz verstoßen. Hier hätten die Hominidae insgesamt sogar Vorteile gegenüber dem Homo Sapiens.

Man könnte sich, um es auf die Spitze zu treiben, glatt fragen, ob der Schein-Mensch gar der bessere Mensch ist. Und werden vielleicht nicht mechanische Roboter die ärztlichen Kollegen von morgen entlasten, sondern lebende Gorillas?

Beides kann ich mir noch nicht so richtig vorstellen. Aber denken Sie doch mal über Erich Kästners Zitat nach, das da lautet: „Die ersten Menschen waren nicht die letzten Affen.“