Geburtshilfe Frauenheilkd 2015; 75 - A63
DOI: 10.1055/s-0035-1551637

Lichen sclerosus – eine seltene, häufig falsch therapierte Erkrankung (Neue S3-Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Dermatologie)

J Zimmermann 1, C Hirchenhain 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, Frauenklinik, Dresden

Hintergrund:

Der Lichen sclerosus ist eine entzündliche Erkrankung der Anogenitalregion, die häufig chronisch verläuft. Sie tritt bei 0,1 – 3% aller Frauen auf. Männer sind 3 – 10-mal seltener betroffen. Die Ätiologie ist noch weitestgehend ungeklärt. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung ist die Therapie häufig inadäquat, die betroffenen Frauen erdulden oft einen langen Leidensweg, bevor sie eine entsprechende Therapie erhalten. Eine Überweisung der Patientin in eine spezialisierte Einrichtung (z.B. Dysplasiesprechstunden) ist sinnvoll. Die neuen S3-Leitlinien der Europäischen Gesellschaft für Dermatologie sollen dazu beitragen, die Qualität der Diagnostik und Therapie zu verbessern, um den Leidensweg der betroffenen Frauen zu verkürzen.

Methodik:

Retrospektiv wurden Patientinnen, die aufgrund folgender Beschwerden im gesamten Jahr 2014 in die Dysplasiesprechstunde überwiesen wurden, analysiert: therapieresistente Vulvitis, therapieresistente Mykose, V.a. Vulvadysplasie oder Kraurosis vulvae.

Ergebnisse:

Insgesamt wurden 53 Patientinnen im Alter zwischen 2 und 80 Jahren (Median 61) behandelt. Die Symptome der Patientinnen bestanden seit 4 – 72 Monaten (Median 18) und es erfolgten durchschnittlich bereits 3 Therapien (Anzahl vorheriger Therapien 2 – 6). Diese beinhalteten lokale Östrogenisierungen, antimykotische oder hautpflegende Therapien bzw. niedrigpotente Steroide. Lediglich 4 Patientinnen erhielten bereits eine adäquate Therapie. 94% der nach den neuen S3-Leitlinien behandelten Patientinnen waren nach 3 Monaten Therapie beschwerdefrei (50 von 53).

Neue S3-Leitlinie (gültig bis September 2017)

  • weißlich-elfenbeinfarbene flächige Plaques (Anfangsstadium)

  • Teilweise irreversible Atrophie, besonders der Labia minora (Labiensynechie bis Introitusstenose) bei fortgeschritteneren Stadien

  • erythroplakische neben leukoplakischen Arealen

  • histologische Sicherung nur in Ausnahmefällen bei fraglicher Diagnose notwendig (V.a. VIN/AIN/Karzinom)

Cave: Plattenepithelkarzinom (Lebenszeitrisiko 4 – 5%)

  • Therapie

Goldstandard: hochpotente topische Steroide – Clobetasolpropionat-Salbe 0,05% (Applikation initial über 3 Monate nach Schema)

Minimierung der Atrophie: lebenslange Anwendung fetthaltiger Hautpflege

  • Tacrolimus/Pimecrolimus (Calcineurin-Inhibitoren) weniger effektiv als Clobetasol

  • topische Testosteron-, Östrogen- oder Progesteronapplikation ohne wesentlichen Effekt

  • operative Methoden wie Skinningvulvektomie ohne wesentlichen Effekt.

Schlussfolgerung:

Bisher war sowohl die Diagnosestellung des Lichen sclerosus als auch die Therapie häufig inadäquat.

Ein langer Leidensweg der Patientinnen und unnötige Kosten z.B. durch nicht notwendige Operationen waren die Konsequenz.

Die neue S3-Leitlinie stellt eine gute Anleitung zur Diagnostik und Therapie des Lichen sclerosus dar:

Goldstandard: Clobetasol-Salbe in Kombination mit hautpflegenden, fetthaltigen Salben.