Diabetologie und Stoffwechsel 2015; 10 - P120
DOI: 10.1055/s-0035-1549626

Der Einfluss intestinaler Süßrezeptoren auf die glukoseabhängige Inkretinfreisetzung – eine Humanstudie des SEGATROM-Projekts* *(Sensorische und gastrointestinale Einflüsse von Geschmacksrezeptorvarianten auf den Metabolismus und die Ernährung des Menschen)

M Kemper 1, S Kabisch 1, W Meyerhof 2, M Behrens 2, T Hofmann 3, JP Ley 4, AFH Pfeiffer 1, 5
  • 1Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), Klinische Ernährung, Nuthetal, Germany
  • 2Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE), Molekulare Genetik, Nuthetal, Germany
  • 3Technische Universität München, Lebensmittelchemie und molekulare Sensorik, München, Germany
  • 4Symrise AG, Ingredient Research Flavors Division, Holzminden, Germany
  • 5Charité – Universitätsmedizin Berlin, Medizinische Klinik für Endokrinologie, Diabetes und Ernährungsmedizin, Berlin, Germany

Fragestellung: Die Stimulation von Süßrezeptoren geschieht vor allem durch natürliche Kohlenhydrate, aber auch durch Zuckerersatzstoffe und synthetische oder natürlich vorkommende Süßstoffe, z.B. in kalorienreduzierten Softdrinks. Epidemiologische Studien sehen diese Nahrungskomponenten in Verbindung mit der Entstehung metabolischer Erkrankungen. Ursache könnte ein ungünstiges Inkretinprofil nach Einnahme süßstoffhaltiger Produkte sein. Die SEGATROM-Humanstudie untersucht, inwieweit kalorienfreie süßschmeckende Substanzen die glukoseabhängige Inkretinsekretion beeinflussen. Als Testsubstanzen fungierten Glukose, Saccharin und der Süßrezeptorblocker Lactisole.

Methodik: Probanden mit normaler Glukosetoleranz (n = 15) erhielten nüchtern an fünf Testtagen orale Stimulationen mit 300 ml Trinklösung: 1) 1 M Glukose, 2) 2,5 mM Saccharin, 3) 1 M Glukose + 2,5 mM Saccharin, 4) 2 mM Lactisole, 5) 1 M Glucose + 2 mM Lactisole. Plasmaspiegel für Glukose, Insulin, GIP, GLP-1 und PYY wurden sequentiell über 180 Minuten postprandial bestimmt.

Ergebnisse: Kombination von Glukose und Saccharin führte zu signifikant höheren Insulin-, GIP- und GLP-1-Spiegeln verglichen zu reiner Glukose, PYY verlief trendweise niedriger. Die Blutglukose blieb ohne signifikanten Unterschied. Einnahme von Lactisole und Glukose ging mit trendweise erhöhten Insulin- und GIP-Spiegeln sowie signifikant erniedrigtem GLP-1 einher; Glukose- und PYY-Spiegel waren unverändert. Alleinige Gabe von Saccharin oder Lactisole führte zu keiner Stimulation der Inkretinfreisetzung.

Schlussfolgerungen: Unsere Ergebnisse bestätigen und ergänzen Vorbefunde aus kleineren Humanstudien, die jedoch andere Dosierungen wählten und intragastral stimulierten. Unter gleichzeitiger Inanspruchnahme des Energiestoffwechsels bewirkt die Stimulation intestinaler Süßrezeptoren eine augmentierte Inkretinantwort. Die verstärkte Freisetzung von GIP (und GLP-1) durch Saccharin unterstützt die Hypothese, dass süßstoffhaltige Lebensmittel, z.B. light-Softdrinks, möglicherweise das Inkretinmuster beeinflussen und somit Diabetes mellitus oder Leberverfettung begünstigen können.